Vermeintlicher Schutz: In "Wir sind das Volk" bricht Anja Kling vor Stasi-Offizier (Heiner Lauterbach) zusammen.

6./7. Oktober, 20.15 Uhr, Sat.1

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Die letzte Umfrage, wonach elf Prozent der Berliner die Mauer wieder haben wollen, ist genau zwei Monate alt. Noch vor vier Jahren waren es bundesweit 21 Prozent, die eine Trennung zwischen Ost und West befürworteten.

Rückschau zu halten ist demnach staatstragende Pflicht, umso mehr als der zwanzigste Jahrestag des Falls der Berliner Mauer 2009 naht. Einem solchen Auftrag wollen sich auch Privatsender nicht entziehen.

Da trifft es sich, dass zwanzig Jahre danach die kaufkräftige Zielgruppe schon alt genug ist, um "Ostalgie" zu verspüren. Und dass der ZDF-Historiker Guido Knopp Deutschland die zumindest televisionär gründlich aufgearbeitete NS-Vergangenheit ("Der Untergang", "Speer und Er") bereits im Herbst 2007 für "weithin erzählt" erklärte. In Zukunft interessiere jüngere deutsche Geschichte, Mauerfall, Kalter Krieg - auch Historie unterliegt der Mode.

So kommt nach "Der Tunnel", "Prager Botschaft", "Das Wunder von Berlin", "Die Frau vom Checkpoint Charlie" und wie sie alle heißen, "Wir sind das Volk". Staatstragend verlangt im Fernsehen mindestens zwei Teile. Und weil man sich an hoch gelobte Vorbildern orientiert, schaut der Mauerfall bald aus, wie die vormals erfolgreichen Hitler-Filme. Heiner Lauterbach ginge als düster ausgeleuchteter Stasi-Offizier ebenso durch wie als Gestapo-Mann. Anja Kling wiederum landet als entflohene und wieder gefangene DDR-Bürgerin in Isolationshaft. In der Zelle unter schmallippigen Wärtern könnte sie genauso gut Gudrun Ensslin sein. Geschichte wiederholt sich nicht nur, irgendwann wird sie auch nicht mehr zu unterscheidender Unterhaltungswert. (Doris Priesching/DER STANDARD, Printausgabe, 3.10.2008)