Bild nicht mehr verfügbar.

Muss vielleicht für den Rest seines Lebens hinter Gitter: Ex-Star O. J. Simpson.

Foto: AP/Gluskoter

Washington - Kein Aufschrei, keine Tränen, kein schockiertes "Oh nein". OJ Simpson steht da wie ein geprügelter Hund. Er atmet tief durch, beißt sich auf die Lippen, nickt resigniert, als hätte er es schon vorher gewusst. Soeben hatte Sandra Jeter im Namen der Geschworenen das Urteil verkündet. "Punkt eins, Verschwörung zum Begehen eines Verbrechens", las sie als Erstes vom Blatt. "Schuldig!" Dann ratterte die Sprecherin der Jury elf weitere Anklagepunkte herunter. Elfmal schallt ihr "guilty", "schuldig", durch den Gerichtssaal in Las Vegas. Nach wenigen Minuten wird der Ex-Footballstar in Handschellen aus dem Saal geführt

Es sind Szenen, auf die viele Amerikaner seit 13 Jahren gewartet haben, seit O. J., wie sie ihn damals nur nannten, nach einem zum Jahrhundertprozess hochstilisierten Mordverfahren ungeschoren davongekommen war. In ihrer Mehrheit hatte die Nation nie so recht geglaubt, dass die frühere Sportskanone nichts zu tun haben sollte mit den Messerstichen, die seine Ex-Frau und ihren Geliebten ins Jenseits beförderten. Als er freigesprochen wurde, schien der Berühmte unangreifbar. Jetzt stolperte er über eine Räuberpistole, wie sie die Vorlage zu einem billigen B-Movie geben könnte.

Eine Septembernacht im Jahr 2007

Schauplatz: das Palace Station, ein Casinohotel in Las Vegas, der glitzernden Glücksspielstadt in der Wüste. Eine Septembernacht des Jahres 2007. Ein halbes Dutzend Männer stürmte in ein Zimmer, in dem zwei Händler Erinnerungsstücke verhökern wollten. Signierte Bälle, Autogrammfotos, vieles, was Wert erlangte, weil es mit dem Namen Simpson verbunden war. Mit gezogener Waffe verlangten die Eindringlinge die Herausgabe der Memorabilien. O. J. wollte sich auf die rabiate Tour zurückholen, was ihm die beiden Geschäftsleute - so stellte er es dar - trickreich gestohlen hatten.

Pech für ihn, dass man seine Stimme hinterher ziemlich deutlich auf einem Band hören konnte. Ein Partner hatte ihn hereingelegt, indem er das Wortduell heimlich mitschneiden ließ und die Story den Medien teuer verkaufte. Dumm auch, dass der heute 62-jährige Simpson von all seinen Kumpanen belastet wurde. Einer sagte unter Eid aus, O. J. habe ihn angestiftet, eine Waffe mitzubringen.

Unter Umständen muss der einstige Weltstar den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen, je nachdem, wie das bis Weihnachten fällige Urteil ausfällt. Es wäre das traurige Ende eines dramatischen Falls, vom Darling der Partyszene bis hin zum verbitterten alten Mann. Aus einer Kindheit voller Armut und Krankheiten hatte er es zu Ruhm in der Football-Arena geschafft. Er fuhr Rolls-Royce, trat in Hollywoodfilmen auf und heiratete ein amerikanisches Statussymbol, eine verführerische Blondine. Nach dem umstrittenen Freispruch am 3. Oktober 1995, auf den Tag genau 13 Jahre vor dem Juryspruch von Las Vegas, ging es nur noch bergab.

Zweifel an der Jury
"Ich will das Wort 'Payback' nicht benutzen", sagte Yale Galanter, Simpsons Anwalt. Aber von Anfang an habe es ihn beschlichen, dieses Gefühl, dass seinem Mandanten mit unfairer Münze zurückgezahlt werden sollte. Was ihm besonders missfiel, war die Zusammensetzung der Jury: zehn Weiße und zwei Hispanics. Sofort stand der Vorwurf im Raum, dass sie sich nicht allein vom Wunsch nach Gerechtigkeit leiten ließen, sondern auch von rassistischen Vorurteilen. "Meine größte Sorge war immer", so Galanter, "ob diese Jury sich von ihren sehr starken Gefühlen absetzen kann, ob sie in der Lage sein würde, Herrn Simpson fair und ehrlich zu beurteilen." (Frank Herrmann aus Washington; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.10.2008)