Weinanbaugebiet Aussenkehr: Mit samt den Familienangehörigen leben ca. 20.000 Menschen in primitiven Hütten aus Schilf. Nur die fixangestellten Arbeiter der Farm beziehen gereinigtes Trinkwasser, alle anderen trinken das Flusswasser ungefiltert.

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 In einer Siedlung ohne Kanalisation, ohne medizinische Versorgung und nur mit einer Schule für 300 Kinder sind die Haushalte in drückender Armut gefangen. Wer krank wird, muss das Geld für einen privaten PKW-Transport in die 300 km entfernt gelegene staatliche Klinik in Karasburg aufbringen.

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Auch in Österreich erfreuen sich die Weintrauben vom Oranje zunehmender Beliebtheit: Zwischen Jänner und März 2008 wurden 165.200 kg im Wert von 395.352 Euro aus Namibia importiert. Im Jahr zuvor waren es noch 95.400 kg mit einem Wert von 184.205 Euro gewesen.

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Das SADOCC- Magazin für das südliche Afrika. Viermal jährlich berichten Journalisten und Fachleute aus Österreich, Europa und dem Südlichen Afrika über die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen im Südlichen Afrika.

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Entlang des Oranje-Flusses ist in Namibia in den vergangenen Jahren ein boomendes Weinanbaugebiet entstanden. Trotz beeindruckender Exportzuwächse ist die soziale Situation der Arbeitskräfte dramatisch. Ein Lokalaugenschein von Bernhard Bouzek.

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Es war ein serbischer Einwanderer, Dušan Vasiljević, der als erster das agrarische Potential der sandigen Schwemmlandböden entlang des namibischen Ufers des Oranje-Flusses für den Traubenanbau erkannte. Er kaufte eine heruntergewirtschaftete ehemalige Gemüsefarm entlang eines 15 km langen Uferstreifens in der Ortschaft Aussenkehr. Damit legte der zuvor in Australien und Südafrika tätige Obsthändler im Jahr 1988 den Grundstock für sein rasch expandierendes Unternehmen. In einer ökologischen Zone, die weniger als 50 mm Niederschlag im Jahr verzeichnet, wurden auf 150 ha Rebstöcke gepflanzt. Schon nach drei Jahren brachten sie, dank eines Bewässerungssystems unter Nutzung des Wassers des Oranje, 1.000 Tonnen Trauben Ertrag. Schrittweise wurde die Anbaufläche vergrößert und Partnerschaften mit Firmen geschlossen, die Land pachten.

Gegenwärtig werden von der Firma Aussenkehr Farms (im Besitz von Dušan Vasiljević) von Nagrapex, einer Tochterfirma des niederländischen Früchtegroßhändlers FTK Holland BV und der ägyptischen Firma Nivex auf 1.300 Hektar Tafeltrauben für den Export nach Europa geerntet.

Namibia ein von der EU begünstigtes Entwicklungsland

Der entscheidende ökonomische Vorteil der namibischen Trauben ist ihr extrem günstiger Reifetermin. Gegenüber den Trauben aus Südafrika bzw. jenen aus anderen Anbauländern in der südlichen Hemisphäre erfolgt die Ernte schon Ende November/Anfang Dezember. So kann in der Vorweihnachtszeit der lukrative Markt in Europa bedient werden. Im Rahmen eines Abkommens der AKP-Staaten mit der EU darf Namibia als begünstigtes Entwicklungsland im europäischen Winter während eines genau festgelegten Zeitfensters Trauben exportieren. Mittlerweile gehen 75% aller Frischprodukte der Farm in Aussenkehr in die EU. Besonders begehrt sind die Früchte in den britischen Supermarktregalen, der beste Abnehmer ist die Supermarktkette Tesco.

Dramatische soziale Bedingungen für die Farmarbeiter

Die hohen EU-Qualitätsstandards, zusammengefasst unter GLOBALGAP, sollen wiederum Lebensmittelhygiene, Herstellungsort sowie Umwelt- und Sozialstandards sicher stellen. Da Namibia über keine eigene Prüfstelle verfügt, erfolgen die Inspektionen der Exportwaren durch das staatliche südafrikanische Perishable Products Exports Control Board. Laut Stefan Kunze von der Agrarmarkt Austria Marketing GesmbH sind neben Schutzbekleidungsvorschriften eindeutige Regelungen für die Unterkünfte der Beschäftigten vorgeschrieben. Diese müssen für die Arbeiter bewohnbar sein, über ein Dach, Fenster und Türen verfügen sowie grundlegende Einrichtungen wie fließendes Wasser, Toiletten und Abwasserentsorgung vorweisen.

Unter welchen dramatischen sozialen Bedingungen die Farmarbeiter die Trauben für den Export produzieren, bleibt jedoch nahezu im Verborgenen. Zum einen ist es die Abgeschiedenheit des Anbaugebiets um Aussenkehr in der Region Karas. Bis zur nächsten formalen Siedlung, Noordoewer, sind es 50 km. Aussenkehrs Arbeiter leben auf privatem Land des Eigentümers, auf einem Hügel zwischen den Weinbergen und dem Oranje. Im Jahr sind dort 3.500 Personen auf der Farm beschäftigt, dazu kommen während der drei bis viermonatigen Erntezeit noch einmal 7.000 Arbeiter.

Benzinrationen

„Wir müssen 400 Dollar (namibische Dollar, rund 33 Euro,  Anm. der Red.) zahlen, um ein privates Fahrzeug zu mieten, um uns ins nächste Krankenhaus bringen zu lassen. Warum schafft es die Regierung nicht, uns mit dem Nötigsten zu versorgen?", fasst es ein Bewohner zusammen. Mit der Begründung, dass sich die Siedlung auf privatem Grund befinde, existiert weder ein Gemeinderat noch eine Lokalverwaltung. Lediglich sechs Polizisten versuchen mit einem klapprigen Fahrzeug, für das die monatliche Benzinration viel zu gering ist, für Sicherheit zu sorgen. Ein schwieriges Unterfangen, denn ob der tristen Verhältnisse sind Alkoholmissbrauch und damit Gewalt im Steigen.

Bitterer Nachgeschmack

Eine der wenigen Organisation, die sich um die Anliegen der Weinbauarbeiter kümmern, ist die Namibian Farm Workers Union (NaFWU). Ihr Generalsekretär, Alfred Angula, konnte hier eine sehr hohe gewerkschaftliche Organisationsrate erreichen. Ein erster Erfolg der NaFWU war die Ausverhandlung eines Kollektivlohns für Farmarbeiter von monatlich 430 N$ (ca. 40 Euro). Im Jahr 2005 war es in Aussenkehr auch zu einem gewaltsamen Streik von 430 Arbeitern gekommen, der sich gegen die schlechten Arbeitsbedingungen und die rassistische Behandlung durch Teile des Managements gerichtet hatte. Die Situation konnte auf Vermittlung der Gewerkschaft entspannt werden, tief greifende Verbesserungen blieben aber aus.

Namibias Traubenanbau ist aus ökonomischer Sicht sicherlich eine Erfolgsgeschichte.  Allerdings bleibt ein bitterer Nachgeschmack, wenn sich die soziale Situation der Farmarbeiter nicht verbessert.