Seit vier Jahren stehen in Wien sogenannte Rolling Boards herum, betrieben werden sie vom Plakatariesen Gewista.

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Wien - Eine von der ÖVP-nahen Konkurrenz aufgestellte Werbetafel in Rathausnähe, über 1000 zuplakatierte Stromkästen in der ganzen Stadt - wer nicht genauer hinschaut, könnte annehmen, der Wiener Außenwerbemarkt sei in Bewegung geraten. Bei näherer Betrachtung wird allerdings schnell klar: In der rot regierten Hauptstadt ist diesbezüglich alles beim Alten. Der Großteil der zur Verfügung stehenden Plakatflächen betreibt die Gewista, daneben hat kaum ein Unternehmen Chancen auf Freiflächen.

So wurde die Werbetafel von Epamedia vor dem Naturhistorischen Museum nach der Eröffnung der Willendorf-Ausstellung bald wieder abgebaut. Und die bepickten Stromkästen, die seit kurzem wieder das Stadtbild prägen, bedeuten nicht etwa, dass sich die Wildplakatierer verlorenes Terrain zurückholen. Vielmehr vergibt auch diesen Werbeplatz seit kurzem ausschließlich die Gewista.

Überdachte Haltestellen, Lichtmasten, Litfaßsäulen, Hauswände: Die Gewista lässt werben, wo sie kann. Seit vier Jahren betreibt der Plakatriese auch gut 400 sogenannte Rollingsboards. Für die am Straßenrand aufgestellten verglasten Werbetafeln, auf denen verschiedene Sujets mittels Rollautomatik werben, hebt die Stadt Wien eine Gebühr ein - allerdings eine relativ geringe. Denn während in Linz für eine solche Anlage gut 900 Euro pro Jahr anfallen, verlangt die Stadt Wien dafür lediglich ein Drittel des Betrags. Noch günstiger wird's in der Hauptstadt für das Außenwerbeunternehmen, wenn die Anlage nur einseitig bespielt wird, dann sind gerade einmal 165 Euro dafür zu entrichten.

Unterschiedliche Regelungen

Der Preis für das Aufstellen und Betreiben von rollenden Plakatwänden auf öffentlichem Grund ist Ländersache. Zwischen Boden- und Neusiedler See bezieht man sich dabei auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen. In Wien greift diesbezüglich das Gebrauchsabgabegesetz, in Linz gilt seit 1. Jänner 2008 eine eigene Tarifordnung für "über den Gemeingebrauch des öffentlichen Gutes hinausgehende Nutzungen.

Das Land Kärnten müsste sich rein rechtlich mit bescheidenen 200 Euro Gebühr pro Anlage und Jahr begnügen - allerdings ließ sich

Landeshauptmann Jörg Haider die besten Plätze teuer abkaufen - und schloss mit Epamedia ein Vertrag, nachdem pro Roll-Anlage und Jahr satte 5900 Euro für Kärnten anfallen.

"Die Stadt Wien lässt sich hier eine Einnahmequelle entgehen", sagt die grüne Klubchefin Maria Vassilakou. "Und dass dies zugunsten einer Firma passiert, an der die Wiener SPÖ mitverdient, ist unerträglich. " 1921 von der Gemeinde Wien gegründet, ist die Gewista seit 2001 zu zwei Dritteln im Besitz des französischen Konzerns JCDecaux. Ein Drittel hält die Progress Beteiligungs-Ges.m.b.H., über die Wiener SPÖ an der Gewista mitverdient.

Tatsächlich könnte die Stadt Wien nach dem Linzer Modell bis zu 294.000 Euro zusätzlich einnehmen. Nach Kärntner Modell wären sogar 2,2 Millionen Euro möglich. Angedacht wurde eine Erhöhung der Gebühren für die Rolling Boards laut Büro des zuständigen Stadtrats Michael Ludwig (SP) bisher nicht. "Es gibt in Wien scheinbar einen Automatismus bei der Vergabe von Werbflächen zugunsten der Gewista. Es sollte, so wie in anderen Bundesländern, auch in der Hauptstadt eine transparente Regelung geben", sagt Markus Schuster, Chef des ÖVP-nahen Konkurrenzunternehmens Epamedia. Karl Javurek, Chef der Gewista, kann keine Bevorzugung seines Unternehmens erkennen. "Es zahlen ja schließlich alle dieselben Gebühren in Wien."

Wer mittels Rolling Board werben will, bekommt die unterschiedlichen Ländergebühren übrigens nicht zu spüren: Ein Plakat, das sieben Tage in Linz rollt, kostet genauso viel wie in Wien, nämlich 407 Euro. (Martina Stemmer, DER STANDARD Printausgabe, 11./12.10.2008)