München/Berlin/Stockholm - Die Verleihung des Friedensnobelpreises 2008 an den ehemaligen finnischen Staatspräsidenten Martti Ahtisaari in Anerkennung seiner vielseitigen jahrzehntelangen Vermittlertätigkeit ist am Samstag Gegenstand internationaler Pressekommentare:

"Süddeutsche Zeitung" (München):

"Martti Ahtisaari ist ein verdienter Politiker, der nicht zuletzt dank seiner Herkunft aus dem bündnisneutralen Finnland als Krisenvermittler Bedeutung erlangen konnte. Der Balkan hätte sein Lebenswerk krönen können, aber der Balkan funktioniert nach Gesetzen, die Ahtisaari alleine nicht schreiben konnte. Deswegen war die Kosovo-Vermittlung nicht nur die Aufgabe Ahtisaaris, sondern unterlag vor allem den Interessen der USA, Russlands und der EU. Ahtisaari scheiterte mit seiner Vermittlung und bezog dann klar Partei. Der mit seinem Namen verbundene Anerkennungsplan für den Kosovo wurde am Ende von nur einer Seite akzeptiert. (...) Diese Komplexität ignoriert das Nobelkomitee in seiner Entscheidung. Vielmehr schüttet es mitten in einer heiklen politischen Lage auf dem Balkan erneut Salz auf die serbischen Wunden."

"die tageszeitung" (taz) (Berlin):

"Dass so ein Mann den Friedensnobelpreis erhält, spricht nicht gerade für eine kritische Position des Nobelpreiskomitees. (...) Ahtisaari hat mit seinem Plan für ein unabhängiges Kosovo nicht viel zum Frieden beigetragen. Er hat extremen nationalistischen Forderungen entsprochen. Dem finnischen Diplomaten ist es keineswegs gelungen, eine alle Seiten befriedigende politische Lösung für das Kosovo zu schaffen, wie es jetzt offenbar die Meinung des Nobelkomitees ist. Der 2006 und 2007 im Namen der Vereinten Nationen von ihm verhandelte Plan für eine von der EU kontrollierte 'begrenzte Unabhängigkeit' des Kosovo ist von serbischer Seite nie unterzeichnet worden und damit also eigentlich hinfällig. (...) Er steht für die Akzeptierung extremer nationalistischer Forderungen auf dem Balkan durch die internationale Diplomatie."

"Der Tagesspiegel" (Berlin):

"Kaum ein anderer Diplomat hat in so vielen Konflikten vermittelt. Ahtisaari wurde immer dann gerufen, wenn die internationale Gemeinschaft nicht weiterzuwissen schien. Sein hohes internationales Ansehen hat Ahtisaari als Vermittler im Kosovo-Lrieg erlangt: Im Juni 1999 gelang es ihm, den damaligen jugoslawischen Staatschef Slobodan Milosevic zur Zustimmung für den Kosovo-Friedensplan zu bewegen. Milosevic verpflichtete sich zum Abzug der Truppen aus dem Kosovo, im Gegenzug stellte die NATO die Luftangriffe ein. Die Erleichterung war in ganz Europa zu spüren. Sieben Jahre später trat die internationale Gemeinschaft wieder mit einer Bitte an Ahtisaari heran: Er sollte den künftigen Status des Kosovo klären helfen. Doch diesmal gelang es ihm nicht, einen Kompromiss zu erarbeiten."

"Neue Osnabrücker Zeitung":

"Seit Jahren stand der Finne immer wieder auf der Liste, ähnlich einem Hollywoodstar, dem noch der Oscar für sein Lebenswerk fehlte. Sicher: Jeder der vier auf der Liste stehenden Chinesen hätte für das mutige Einfordern der Menschenrechte im Heimatland ebenso den Nobelpreis verdient gehabt. Es wäre zudem ein deutliches Zeichen gegenüber Peking gewesen, das im Olympia-Jahr meint, alles richtig gemacht zu haben. Doch eine Botschaft hat auch die Entscheidung für Ahtisaari: Sie ehrt einen Politiker, der sich traut, Minen zu entschärfen. Davon gibt es nicht viele."

"Svenska Dagbladet" (Stockholm):

"Als Martti Ahtisaari Staatspräsident Finnlands war, wurde darüber gescherzt, dass er dafür ein allzu schwergewichtiger Mann sei. Aber erst nach seinem Abgang wurde er auch international ein Politiker von Format. Obwohl er schon vorher als UN-Kommissar für Namibia bekannt war. Aber nun verband man den Namen Ahtisaari mit Vermittlungseinsätzen in Aceh und im Kosovo. Der Finne gehört auf die Liste würdiger, aber auch völlig unkontroverser Träger des Friedensnobelpreises. Es wäre besser gewesen, man hätte die Auszeichnung den chinesischen Menschenrechtskämpfern Hu Jia oder Gao Zhisheng gegeben. Das wäre genau die richtige Nachbereitung für die Olympischen Spiele in Peking gewesen."

"Luxemburger Wort":

"Ahtisaari hat die Ehrung vollauf verdient. Wie kaum ein zweiter Politiker hat er in den vergangenen drei Jahrzehnten ebenso energisch wie hartnäckig zwischen den verschiedensten und schwierigsten Konfliktparteien vermittelt, und dies immer erfolgreich mit einer einzigen Ausnahme: dem Kosovo. (...) Wohl haben seine Vorschläge als Grundlage für die spätere kalte Unabhängigkeit der früheren serbischen Provinz gedient. Doch ist mit dieser Behelfslösung ein folgenschwerer völkerrechtlicher Präzedenzfall entstanden, dessen Folgen gerade jetzt im Kaukasus und in Osteuropa zum Tragen kommen." (APA/dpa)