Karikatur: Oliver Schopf

Während in den vergangenen Wochen die Kurse an den internationalen Finanzmärkten in den Keller purzelten, stellen sich viele Anleger die Frage, ob sich ihr Schaden durch den Wertverlust ihrer Aktien bloß auf die weltweite allgemeine Finanzkrise oder doch auch auf einen schlechten Anlageberater zurückführen lässt - und ob sie sich an ihm vielleicht schadlos halten können.

Das Risiko der Anlageberater, von ihren Kunden in Haftung genommen zu werden, wurde durch die EU-Richtlinie 2004/39/EG, die unter der Kurzbezeichnung "MiFID" bekannt ist, zweifellos verschärft. Die wesentlichen Vorgaben der MiFID sind mit dem Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 am 1.11.2007 in Österreich in Kraft getreten.

Schon nach der alten Rechtslage war der Anlageberater verpflichtet, seinen Kunden "alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, soweit dies zur Wahrung der Interessen der Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist" (§ 13 Z 3 WAG).

Bereits bei leicht fahrlässiger Verletzung seiner Aufklärungs- und Beratungspflichten drohen dem Berater Schadenersatzansprüche des Kunden, wobei zur Bemessung des Schadens in der Praxis geprüft wird, wie der Kunde stünde, wenn er ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre.
Die Zahl der Haftungsfälle ist allerdings überschaubar geblieben, nicht zuletzt deshalb, weil die gesetzliche Vorgabe sehr allgemein gehalten war.

"Ausreichend detaillierte Aufklärung"

Dies könnte sich nun ändern. Die MiFID legt nämlich weit konkreter fest, dass Privatkunden in verständlicher Form über "spezifische" Anlagerisiken "ausreichend detailliert" aufzuklären sind, sodass ein Beratungsfehler gegenüber dem Kunden leichter nachweisbar wird. Informationen über vergangene Kursentwicklungen müssen etwa eine deutliche Warnung enthalten, dass sich die Zahlenangaben auf die Vergangenheit beziehen und frühere Entwicklungen kein verlässlicher Indikator für künftige Ergebnisse sind.

Wichtige Aussagen oder Warnungen dürfen somit nicht verschleiert, abgeschwächt oder missverständlich dargestellt werden. Die Bereitstellung von Informationen auf elektronischem Weg (Website, E-Mail) ist nur dann zulässig, wenn der Kunde nachweislich über einen regelmäßigen Zugang zum Internet verfügt.

OGH muss genau prüfen

Der bisher selbst auferlegte Ermessensspielraum des Obersten Gerichtshofs, wonach der Umfang der Aufklärungspflicht immer von den Umständen des Einzelfalles abhängig sei (OGH 6 Ob 268/00f vom 23.11.2000 ua.), wird nun eingeschränkt: In kommenden Haftungsfällen muss der OGH genau prüfen, ob die einzelnen, detailliert beschriebenen Aufklärungs- und Informationspflichten der MiFID gegenüber dem Kunden auch eingehalten wurden.
Ein einfacher Hinweis an den Kunden, dass die gewählte Anlageform riskant sei, reicht nicht aus. Der Kunde muss nämlich die mit dem Geschäft einhergehenden Risiken verstehen können, wobei nach der neueren OGH-Rechtsprechung im Informationsgespräch fremdsprachige, aber auch finanztechnische Begriffe im Zweifel zu vermeiden, jedenfalls aber dem Kunden zu erklären sind (6 Ob 110/07f vom 7.11.2007).

Kunde muss genau ausfüllen

Die neue Rechtslage verlangt weiters, dass der Anlageberater auch zu prüfen hat, ob die mit dem Geschäft einhergehenden Anlagerisiken - z.B. ein Totalverlust - für den Kunden finanziell überhaupt tragbar sind. Der Kunde ist dabei gut beraten, die von ihm zu diesem Zweck in einem Anlageprofilformular abgefragten Informationen über Einkommen, private finanzielle Verpflichtungen und anderes genau auszufüllen und Informationsblätter der Bank aufzuheben. Denn in seiner jüngsten Entscheidung zu diesem Thema hat der OGH die Verletzung der Sorgfalts- und Aufklärungspflicht durch die Bank für den Fall verneint, dass der Kunde im Anlageprofil Anfragepunkte durchgestrichen und überdies ein ihm von der Bank übergebenes Informationsblatt weggeworfen hat (4 Ob 2/08k vom 14.2.2008).

Die zuletzt zitierte Entscheidung des OGH zeigt allerdings auch die praktischen Grenzen der mit MiFID verfolgten Zielsetzung eines völlig aufgeklärten Kunden. Denn zu weit reichende und detaillierte Anforderungen an die Informations- und Aufklärungspflichten können nicht nur die Finanzanlageberater, sondern auch deren Kunden überfordern. (Gregor Grubhofer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.10.2008)