Oliver Schopf

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

An diesem Wochenende begeht der STANDARD sein 20-jähriges Bestehen. Die Jubiläumsausgabe, die Sie in Ihren Händen halten, ist in jeder Beziehung einzigartig. Beginnend mit der Titelseite, für die ich mich bei Christian Ludwig Attersee bedanke. Er hat einen Zyklus aus zehn Gemälden unter dem Titel "Adam und Eva lesen STANDARD" geschaffen, die nacheinander unter seiner Anleitung in unterschiedlichen Farbkombinationen gedruckt werden, sodass keines mit den anderen ganz identisch ist. Aus diesem Grund haben wir die heutige Zeitung durchnummeriert.

Dies ist auch die umfangreichste Ausgabe des STANDARD, die bisher erschienen ist. Vom Volumen her erinnert sie mich an die Sonntagsausgabe der New York Times, des wichtigsten Vorbilds bei der Gründung dieser Zeitung. Manche hielten mich für größenwahnsinnig, als ich dieses Vorbild nannte, aber ich war es nur zum Teil. Denn über die wichtigsten Ingredienzen für eine Qualitätszeitung internationalen Zuschnitts verfügten wir vom ersten Tag an: Unabhängigkeit von allen Interessentengruppen, vorurteilsfreie Weltoffenheit ohne Dogmen, Fairness und die Absicht, mit den Leserinnen und Lesern auf Augenhöhe zu kommunizieren.

Gleichzeitig war mir klar, dass wir lange brauchen würden, um unserem Vorbild überall dort nachzueifern, wo Qualität nur durch Quantität an Ressourcen erzielbar ist. Diese mussten wir uns erst erarbeiten. Wir haben damit zwar große Fortschritte gemacht, aber wir wollen uns mit dem Erreichten nicht zufriedengeben. Selbstzufriedenheit ist in unserem genetischen Code nicht enthalten. Außerdem würde uns davor auch der eine oder andere Mitbewerber schützen, der die Herausforderung in Richtung Qualität zu unserer Freude angenommen hat. Medienexperten bestätigen uns, dass wir das Qualitätssegment der österreichischen Zeitungslandschaft weit über die eigene Leserschaft vergrößert haben.

Aber zu meinem Bedauern ist in diesen 20 Jahren auch der Boulevard gewachsen. Gemeinsam mit dem grassierenden Populismus in der Politik werden der Bevölkerung scheinbar einfache Lösungen vorgegaukelt. Manche Zeitungen versuchen, ihnen genehme Politik - beziehungsweise dazu passende Politiker - mit manipulierter Berichterstattung durchzusetzen. Unser Credo, das ich in der ersten Ausgabe formuliert habe, wird in diesem Umfeld immer wichtiger: "Wir wollen nicht beeinflussen, sondern Beeinflussungen aufzeigen."

Mittlerweile hat eine neue Generation von Journalisten die Führungspositionen des STANDARD übernommen, für die dieses Credo gelebte Selbstverständlichkeit ist. Noch jünger sind nur die Mitarbeiter von derStandard.at, unserer Online-Schwester, die unter Wahrung derselben journalistischen Standards wie die Printausgabe Österreichs erfolgreichste Zeitungssite im Internet betreibt.

Wie gesagt, Zufriedenheit liegt uns nicht. Aber nach all den Kämpfen um die Existenz dieser Zeitung in einem Medienumfeld, das durch höchste Konzentration und Boulevardisierung gekennzeichnet ist, erlauben wir uns, ein bisschen stolz auf das Erreichte zu sein.

So ein Jubiläumstag lädt nicht nur zum Innehalten ein, sondern auch dazu, sich bei allen zu bedanken, die für den Erfolg mitverantwortlich sind:

  • Die Mitarbeiter, die auch trotz schwieriger Phasen dieses Projekts an der konsequenten Steigerung der Qualität mitgewirkt haben.
  • Die Inserenten, die erkannt haben, dass unsere gar nicht so kleine, aber trotzdem feine Leserschaft eine einflussreiche Gruppe ausmacht, die es anzusprechen lohnt.
  • Der Axel Springer Verlag, ohne dessen Starthilfe diese Zeitung vielleicht nicht entstanden wäre.
  • Die Süddeutsche Zeitung, die fast zehn Jahre lang ein konstruktiver Partner war.
  • Und natürlich Sie, liebe Leserinnen und Leser. Sie sind zahlreicher, als ich es mir bei der Gründung des Standard erhofft habe. Sie sind anspruchsvoll, fordernd und haben uns immer mit wertvoller Kritik begleitet. Es macht Freude, für Sie zu arbeiten.

Ich wünsche Ihnen ebenso viel Vergnügen bei der Lektüre dieser Ausgabe, wie wir bei der Herstellung gehabt haben. Ihr

Oscar Bronner