Im Frühherbst bricht beim Kieferorthopäden Gerald Grabner die Hochsaison an. Dann müssen Dutzende von Zahnspangen repariert werden, weil sie während der Sommerferien nicht getragen wurden. Die "Pause" hat natürlich Folgen: Wenn die jungen Patienten ihre Spangen nicht regelmäßig in die fehlgestellten Zähne klemmen, verlängert sich die Behandlung, was auch recht kostspielig ist. Grabner lobt aber immerhin "die fantasievollen Ausreden, die ich in den vergangenen zwölf Jahren schon gehört habe. Gemeinsam mit seinem Vater, einem Elektroingenieur, entwickelte er 2001 die Idee eines Sensors, der unbestechlich die Verweilzeit der Spange im Mund misst und abspeichert.

Seine in Österreich patentierte Lösung hält Grabner sieben Jahre später in der Hand: Die zitronengelbe Kunstharz-Spange ist mit filigranen Drähten an einem Zahnabguss befestigt. Gas- und wasserdicht eingegossen liegt ein Mikrochip, so groß wie eine Knopfbatterie, der alle 30 Minuten die Umgebungstemperatur misst und speichert. Die Stunde der Wahrheit schlägt, wenn der Sensor in Grabners Praxis kontaktlos ausgelesen wird. Die Temperatur- und Zeitkurve verrät, ob das Helferlein wirklich die ganze Nacht getragen oder sofort wieder in die Box versenkt wurde, nachdem die Eltern das Licht gelöscht haben. "Natürlich sagen wir den Kindern vorher, dass man der Spange nichts vormachen kann. Unser Maskottchen, der Dentagent Fox, animiert sie, einem Messklub beizutreten. Den Eltern geben wir eine Gebrauchsanweisung", erzählt der Zahnmediziner.

2003 bewarb sich der Erfinder mit seiner Produktidee um eine Förderung in Oberösterreich und wurde abgelehnt. Die Entwicklung eines Prototyps unterstützte 2006 schließlich das niederösterreichische Akademiker-Gründerservice Accent. 2007 heimste der gebürtige Klosterneuburger dann einen ersten Platz beim Genius Ideenwettbewerb des niederösterreichischen Gründeragentur RIZ ein.

Voraussetzung für die Verwendung mikroelektronischer Bauteile im Mundraum war ihre stetige Verkleinerung, die in den vergangenen Jahren rasant voranschritt. Weil es nur eine Chance auf eine erfolgreiche europäische Markteinführung der "Orthodontic Compliance Control" (OCC) gibt, werden derzeit Prototypen in einigen Zahnarztordinationen und Kliniken den Zertifizierungsprozeduren unterzogen. Erste eingehende Tests nahm der 46-Jährige selbst vor: Er klebte sich den Chip auf die Haut, legte Spangen in Salzlake ein oder trug sie tagelang mit: ins Auto, zu den Flugstunden, ins Whirlpool, zum Tontauben schießen, in die Mödlinger Ordination und wieder nach Hause in die Stube.

Gerald Grabner baute als Kind leidenschaftlich Modellflugzeuge, heute schwärmt er für größere Maschinen. Das feinmotorische Geschick führte ihn letztendlich auch zur Fachausbildung an der Med-Uni Wien. Rückblickend hätte er sich eine raschere Förderzusage gewünscht. (Astrid Kuffner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22. Oktober 2008)