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Landeschef Luis Durnwalder: Rücktrittsdrohung.

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Eva Klotz kämpft um die Selbstbestimmung.

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Bevölkerung in Südtirol.

DER STANDARD

Die Freiheitlichen sehen sich bereits als Wahlsieger.

Kommt auf Österreich als neues Mitglied des UN-Sicherheitsrates eine unerwartet heikle Aufgabe zu? Nach Überzeugung der Landtagsabgeordneten Eva Klotz bietet der Einzug „unserer Schutzmacht" in das wichtige Gremium „die große Chance, das Südtiroler Selbstbestimmungsanliegen einen wichtigen Schritt voranzubringen".

Wahlkampf in Südtirol. Ein wahres Fest für Patrioten, für ethnische Eiferer, Duce-Nostalgiker und Deutschtümler. Eva Klotz, der italienische Journalisten gerne das Etikett „Passionaria" anheften, stemmt sich seit einem Vierteljahrhundert im Bozener Landtag gegen die historische Realität. Am Brenner ließ die Tochter des ehemaligen „Bombers" Georg Klotz Tafeln aufstellen, um ahnungslose Reisende aufzuklären: „Südtirol ist nicht Italien." Ihr faschistischer Widerpart Donato Seppi fordert von der römischen Regierung „die sofortige Auflösung des Schützenbundes als paramilitärische Bewegung".

Gewiss, um Weltbewegendes geht es im Wahlkampf zwischen Ortler und Drei Zinnen kaum. Die Wohlstandsprovinz sichert ihren Bürgern Vollbeschäftigung, der üppige Haushalt von fünf Milliarden Euro wirkt konsensfördernd. So erregt man sich über Fahnen, Heimatlieder, einsprachige Formulare und darüber, dass „in Moos im Passeier ein paar Fahrzeuge mit Kuhmist beschmiert" wurden.
Nur eine Neuheit birgt der Wahlkampf der starken Töne: Der erfolgsverwöhnten Südtiroler Volkspartei droht im Landtag erstmals der Verlust der absoluten Mehrheit (2003: 55,6 Prozent). Seit die SVP bei der Parlamentswahl im April um zehn Prozent absackte, grassiert die Angst vor dem CSU-Syndrom.
„Keine Parallelen" gebe es zu den Wahlen in Bayern und Österreich, winkte Landeshauptmann Luis Durnwalder (67) nach dem politischen Erdrutsch nördlich des Brenners ab. Nach jüngsten Aussagen will er beim Verlust der absoluten Mehrheit zurücktreten. Einschränkender Zusatz: „wenn ich daran schuld bin."

Den Freiheitlichen, die sich an der FPÖ ausrichten, traut man locker eine Verdoppelung ihrer Stimmen (2003: fünf Prozent) zu. Ihre T-Shirts mit der Aufschrift „Südtirol gehört dir, dafür sorgen wir" finden besonders bei Jugendlichen in Landgemeinden Anklang. Eva Klotz kann sich diesmal nicht nur auf die „Walschen" konzentrieren. Ihr langjähriger Mitstreiter Andreas Pöder geht mit einer eigenen Selbstbestimmungspartei ins Rennen. Der erwartete Zuwachs der Rechten dürfte beiden erneut den Weg in den Landtag ebnen. Die orange „Union für Südtirol" des BZÖ-Fans Pöder warnt gerne vor „ausländischen Sozialschmarotzern" im Land. Eva Klotz, die ihre „Süd-Tiroler Freiheit" beharrlich mit Bindestrich versieht, klagt über die „Verschmutzung ihrer Schilder am Brenner."

Materialschlacht

Im „populistisch-patriotischen Wahlkampf" sieht das Bozner Wochenmagazin FF eine Materialschlacht, „deren Gesamtkosten auf fast fünf Millionen Euro geschätzt werden". Durnwalder lässt nichts unversucht, die drohende Niederlage abzuwenden. Der populäre Landeshauptmann, der seit drei Jahrzehnten in der Regierung sitzt, lässt ein Prominentenkomitee mit Extrembergsteiger Reinhold Messner, Kinderdorf-Präsident Helmut Kutin und den Ex- fernsehchefs Gerd Bacher und Georg Kofler für sich werben. Am Dienstag ließ sich Durnwalder in Berlin medienwirksam von Bundeskanzlerin Angela Merkel empfangen, deren Gehalt er um einiges übertrifft.

Fraglich, ob der massive Einsatz den Trend umkehren kann. Denn das diffuse Unbehagen, das rechte Volkstumskämpfer schüren, ist kaum an konkreten Missständen festzumachen. In einem Land, das Tausende osteuropäischer Kellner und Zimmermädchen anwerben muss, mutet der freiheitliche Slogan „Einheimische zuerst" grotesk an. Freilich: Viele Probleme der SVP sind hausgemacht. Die Animositäten zwischen Durnwalder und Obmann Elmar Pichler Rolle, die Flügelkämpfe, der unbestreitbare Filz, den sie in Jahrzehnten absoluter Mehrheit angesetzt hat, stimulieren die Lust vieler Wähler, der Sammelpartei eine Lektion zu erteilen.

Wunsch nach Sammelpartei

Verquere Welten: Während sich deutschsprachige Wähler von der SVP abwenden, sehnen sich die Italiener im Lande nach einer ethnischen Sammelpartei. Nach einer Umfrage der Tageszeitung Alto Adige würden 59 Prozent für eine solche Einheitspartei stimmen. Sie könnte den Anliegen ihrer auf 26 Prozent geschrumpften Sprachgruppe „mehr Schlagkraft verleihen."

Im lauten Heimatgetöse hat vor allem die mehrsprachige Liste der Grünen (2006: 7,9 Prozent) einige Mühe, Gehör zu finden. Zuverlässige Wahlprognosen scheitern an fehlenden Meinungsumfragen und der hohen Anzahl Unentschlossener. Für die hält Eva Klotz' „Süd-Tiroler Freiheit" ein verlockendes Wahlgeschenk bereit: eine „neue Andreas Hofer-Broschüre". (Gerhard Mumelter aus Bozen, DER STANDARD, Printausgabe, 24.10.2008)