Vor allem junge Wohnungssuchende bekommen die in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Wohnkosten zu spüren.

Collage: STANDARD/Adsy Bernart

Steigende Wohnkosten kommen meist nicht als Schock daher, sondern als schleichende Krankheit: Zuerst eine Erhöhung der Betriebskosten wegen gestiegener Gebühren, dann eine schmerzhaft teure Strom- und Gasrechnung. Die nächste Mietzinsanhebung kommt schneller als erwartet, weil der Verbraucherpreisindex (VPI) bereits die nächste Fünf-Prozent-Schwelle überschritten hat. Und schließlich kommt für manche der Tag, an dem sie sich nach einer größeren Wohnung umschauen oder für ein Kind eine eigene Bleibe suchen - und dann sehen, wie viel teurer Wohnen auch in Österreich über die Jahre geworden ist. Der große gemeinnützige Sektor und die Wohnbauförderung wirken zwar wie eine Bremse, aber auch geförderte Wohnungen sind oft längst nicht mehr so günstig wie noch vor einem Jahrzehnt.

Unzufriedenheit steigt

Wie sehr dieses Thema allen mit Wohnbau Beschäftigten unter den Fingernägeln brennt, konnte man beim 32. STANDARD-Wohnsymposium vergangene Woche sehen, das mit 130 Teilnehmern besser besucht war denn je - und deshalb mit dem Wiener Künstlerhaus auch einen neuen, größeren Veranstaltungsort suchen musste. Unter dem Titel "Leistbarkeit von Wohnkosten: Zumutbar oder unsozial" sprachen Experten und Praktiker auf der vom Fachmagazin Wohnen Plus mitorganisierten Veranstaltung über die Ursachen für die Kostenexplosion im Wohnbau, die sozialen Folgen und die Chancen zu ihrer Eindämmung.

Noch sei die Mehrzahl der Österreicher mit der Qualität und dem Preis ihrer Unterkunft zufrieden, betonte der Sozialforscher Günther Ogris vom Sora-Institut. Aber Jahr für Jahr steigt der Anteil am Einkommen, den Haushalte für Wohnen ausgeben müssen. War es einst ein Fünftel, ist jetzt zwischen einem Viertel und einem Drittel die Norm. Vor allem bei Jungfamilien fressen Mieten und Nebenkosten oft bereits die Hälfte des ohnehin geringen Einkommens auf.

Steigende Erwartungen

Dafür genießen die meisten Österreicher immer mehr Wohnraum, und dies zu immer höherer Qualität. Aber dieser ständige Anstieg in den Wohnstandards und den Erwartungen - von den Kunden, den Architekten und dem Gesetzgeber - stoßen bereits an ihre Grenzen, warnte Karl Wurm, der Bundesobmann der gemeinnützigen Bauvereinigungen. Je besser die Österreicher wohnen würden, desto schwieriger werde es, die Preise auf einem erschwinglichen Niveau zu halten. "Wir müssen allen Akteuren klarmachen, dass wir uns das Fest, das wir gefeiert haben, nicht mehr leisten können", sagte er.

Dem widersprach die Wohnforscherin Heidrun Feigelfeld. "Wir haben eine hohe Qualität, aber so toll sind wir im EU-Vergleich auch nicht. Die Skandinavier sind besser. Wir sollten alle Möglichkeiten zur Kostensenkung ausnutzen, aber bitte nicht mit dem Anspruch runtergehen."

Wachsende Vorgaben

Angetrieben werde die Kostenspirale von der Knappheit des Bodens in den städtischen Ballungsräumen und wachsenden Vorgaben durch die Bauordnungen der Länder, den nationalen Gesetzen und neuen EU-Richtlinien. Architekten behelfen sich angesichts der steigenden Vorgaben mit kleineren Nutzflächen, berichtete der Architekt Walter Stelzhammer. Zusätzliche Kosteneinsparungen seien jedoch auch durch effizientere Prozesse beim Planen und Bauen - etwa vereinheitlichte Grundrisse - und besseren Managementabläufen in den Wohnbauunternehmen zu holen, meinte der TU-Professor Andreas Kropik.

Der Bauträgergeschäftsführer Leo Raffelsberger sieht gute Chancen in einer stärkeren Konsolidierung des gemeinnützigen Sektors und einer engeren Kooperation kleiner Genossenschaften bei Einkauf und der Aushandlung von Finanzierungen.

Höheres Angebot senkt die Preise

Für Sozialbau-Chef Herbert Ludl liegt der Schlüssel zu einer Preisstabilisierung in der Erhöhung des Wohnbauvolumens. "Wenn die Konsumenten mehr Auswahl haben, dann werden sie sich wundern, wie schnell die Preise sinken", sagte er. Bei Sozialbau betrage die Durchschnittsmiete weiterhin zumutbare drei Euro.

Nadja Shah von der Mietervereinigung forderte Eingriffe des Gesetzgebers zur Eindämmung der Wohnkosten: die Entkoppelung der Mieten vom VPI, einer nach Ertrag gestaffelten Grundsteuer, die für Wohnbau zweckgewidmet wird, und Widmungsprioritäten für Gemeinnützige.

"Begründete Ausnahmen"

Bei den Tischgesprächen entstand eine Fülle von Vorschlägen, bei denen sich viele mit der Frage der gesetzlichen Normen beschäftigten. Zum Sieger gewählt wurde schließlich der höchst flexible Vorschlag: "Begründete Ausnahmen für alles und jedes."

Damit konnte sich auch der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig anfreunden, der in der Schlussdebatte aber vor allem die Bundesländer dazu aufrief, die Wohnbauförderung des Bundes tatsächlich für Wohnbau auszugeben. Auch dieser Schritt würde für viele Familien das Wohnen etwas erschwinglicher machen, sagte er. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.10.2008)