Peter Fox - Stadtaffe (Warner)

Foto: Warner

Nach jahrelanger Dauertournee und flächendeckendem Auftreten bei so gut wie jedem (heimischen) Sommerfestival ist die Band nach drei Alben und Hits wie Dickes B oder Music Monchs mittlerweile nicht nur eine fixe Größe in den Hitparaden des deutschsprachigen Raums. Die elfköpfige deutsche Dancehall-, HipHopund Reggae-Band Seeed ging zuletzt nicht wenigen einschlägig vorbelasteten Hörern aufgrund dieser Dauerpräsenz auch entschieden auf die Nerven. Pierre Baigorry und seine von Berlin aus operierende Combo haben sich nun schon seit Längerem eine Auszeit genommen. Und Baigorry investierte ein ganzes kreatives Jahr und Privatvermögen in der Höhe von 170.000 Euro in ein jetzt vorliegendes erstes Soloalbum namens Stadtaffe.

Völlig überraschend führt dabei der 34-jährige Groovemeister und Sprechreimkünstler darauf die von Jamaika entliehenen Dancehall-Rhythmen nicht nur weg von der ewigen Party in fürs Genre (bis dato mit Ausnahme etwa jüngerer jamaikanischer Dancehall-Stars wie Busy Signal oder Mavado) dunklere, sozial realistischere und illusionslosere Gefilde: "Schluss mit Larifari, ich lass all die alten Faxen sein ..."

Mit großem Orchester, Streichermotiven von Dimitrij Schostakowitsch (Alles Neu) und knarzenden Computerbeats entwirft er als Peter Fox ein zwar immer noch hedonistisches, allerdings auch immer öfter missmutiges, verkatertes Porträt seiner Heimatstadt Berlin. In der scheint keineswegs alles so schön zu sein, wie es gerne geredet wird:

"Komm aus dem Club, war schön gewesen / Stinke nach Suff, bin kaputt, is 'n schönes Leben / Steig über Schnapsleichen, die auf meinen Weg verwesen / Ich seh die Ratten sich satt fressen im Schatten der Dönerläden / Stapf durch die Kotze am Kotti, Junkies sind benebelt / Atzen rotzen in die Gegend, benehmen sich daneben / Szene-Schnösel auf verzweifelter Suche nach der Szene / Gepiercte Mädls, die wollen, dass ich "Straßenfeger" lese ..."

Dass neben dieser Nachtleben-Tristesse auch optimistische Töne Einzug in das Album gehalten haben, etwa im Song Haus Am See oder in der Single Alles Neu ("Ich bin die Abrissbirne für die deutsche Seele!"), und auch reiner Quatsch wie Schüttel Deinen Speck oder die billige Anmache Zucker auf Stadtaffe zu finden sind, schmälert den Genuss dieses mürrischen Sodbrands keineswegs. Auch in der schlechtesten Laune muss man sich zwischendurch einmal locker machen. Der nächste Kater kommt bestimmt.

Neben dem hochgehandelten, aber reichlich tiefen studentischen Schlagerschmafu von Tomte oder Kettcar ragt Peter Fox in einem ereignisarmen Musikjahr 2008 im deutschsprachigen Kontext meilenweit hervor. Am 2. 12. live in der Wiener Arena. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.10./1.11./2.11.2008)