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Dagmar Metzger, Jürgen Walter, Silke Tesch und Carmen Everts haben Andrea Ypsilantis Projekt verhindert.

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Die Zeit war nicht reif für Ypsilanti. Sie scheiterte an den eigenen Leuten und verfehlte die Mehrheit zum Machtwechsel.

 

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Andrea Ypsilanti (SPD) wird nicht Ministerpräsidentin in Hessen. Einen Tag vor der geplanten Wahl stoppten vier SPD-Abgeordnete das von ihr geplante linke Bündnis. Auch die Bundes-SPD ist geschockt.

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Wiesbaden/Berlin - Ein US-Präsident wird heute gewählt, nicht aber eine neue hessische Ministerpräsidentin - Andrea Ypsilanti ist endgültig gescheitert. Noch am Wochenende hatte sich die hessische SPD-Chefin zuversichtlich gezeigt, an diesem Dienstag ihre linke Mehrheit im Landtag von Wiesbaden zu bekommen: 56 der 57 Stimmen von SPD, Grünen und Linken hätte sie gebraucht. Und schließlich hatte bis zu diesem Zeitpunkt nur die ohnehin als Widerständlerin bekannte Abgeordnete Dagmar Metzger (SPD) erklärt, nicht für ein von den Linken toleriertes rot-grünes Minderheitsbündnis unter Ypsilanti stimmen zu wollen. Es wäre denkbar knapp, aber machbar gewesen.

Am Montag herrschte in der SPD-Fraktion in Wiesbaden zunächst normale Betriebsamkeit. Erst für den Abend war eine allerletzte Probeabstimmung anberaumt worden. Doch dann versetzte eine Meldung des Hessischen Rundfunks Ypsilanti und ihre Getreuen in Panik. Nicht nur Metzger, sondern drei weitere SPD-Abweichler würden sich gegen ihre Wahl stellen, hieß es. Was zunächst als Gerücht für Aufregung sorgte, wurde zu Mittag Gewissheit. In einem Wiesbadener Hotel marschierten vier ernst blickende SPD-Landtagsabgeordnete auf und erklärten, sie könnten Ypsilanti ihre Stimme nicht geben. Neben Dagmar Metzger wollten sich die zum Wirtschaftsflügel zählenden Carmen Everts und Silke Tesch verweigern. Der Vierte im Bunde: Jürgen Walter, SPD-Vize und innerparteilicher Rivale Ypsilantis.

"Gewissenskonflikte"

Sie alle sprachen von "großen Gewissenskonflikten" und "unvorstellbarem Druck" innerhalb der Fraktion und davon, dass sie immer wieder vor einer Zusammenarbeit mit den Linken gewarnt hätten, aber ignoriert worden seien. Daher müssten sie nun die Notbremse ziehen. "Ich kann diesen Weg nicht mitgehen, aber ich bin jetzt mit mir im Reinen" , erklärte Walter. Er hatte schon am Wochenende, am Landesparteitag der SPD, demonstrativ nicht für den zunächst von ihm mitverhandelten rot-grünen Koalitionsvertrag gestimmt. Seine Begründung: Das linke Programm vernichte zu viele Arbeitsplätze in Hessen, etwa durch einen zu zögerlichen Ausbau des Flughafens in Frankfurt am Main.

Sie hätten lange mit sich gerungen, so die vier Abweichler, aber keinesfalls wollten sie zu "Heide-Mördern" werden - eine Anspielung an Heide Simonis (SPD), Ex-Regierungschefin Schleswig-Holsteins. Ihr war 2005 bei der Wahl zur Ministerpräsidentin gleich vier Mal von einem bis heute nicht bekannten Abweichler der SPD-Fraktion die entscheidende Stimme verweigert worden.

In Berlin, wo am Montag das SPD-Präsidium tagte, herrschte laut SPD-Chef Franz Müntefering eine "Mischung aus Betroffenheit und Empörung" . Stinksauer ist "Münte" , weil sich die Dissidenten mit ihrer Entscheidung so lange Zeit gelassen und ihr Gewissen erst so spät entdeckt haben.

Die vier wollen in der SPD-Fraktion weiter mitarbeiten, möglicherweise drängen sie nun auf eine große Koalition mit der CDU. Fürs Erste bleibt Koch geschäftsführender Ministerpräsident. Er könnte nun versuchen, mit der FDP und den Grünen eine "Jamaika-Koalition" einzugehen. Auch Neuwahlen stehen jetzt im Raum. (Birgit Baumann/DER STANDARD, Printausgabe, 4.11.2008)