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Moskau - Der russische Präsident Dmitri Medwedew hat am Tag des Wahlsiegs des künftigen US-Präsidenten Barack Obama einen harten außenpolitischen Kurs Moskaus angekündigt. In seiner ersten Rede zur Lage der Nation bekräftigte der Kreml-Chef am Mittwoch, dass Russland "Iskander"-Kurzstreckenraketen bei Kaliningrad (Königsberg) zwischen den NATO-Staaten Polen und Litauen stationieren werde. Dies sei eine Reaktion auf den geplanten US-Raketenschild in Tschechien und Polen. Die USA zeigten sich von Medwedews Plänen enttäuscht. Kritik kam auch aus Prag.

Als Antwort auf das in Mitteleuropa vorgesehene US-Raketensystem rückte Medwedew vom geplanten Abbau dreier Regimenter einer Raketendivision nahe Moskau ab und kündigte auch die Stationierung von Störsendern an. Russland habe den USA wiederholt vergeblich die Zusammenarbeit angeboten, kritisierte er. "Zu unserem großen Bedauern wollte unser Partner uns nicht zuhören." Allerdings lasse sich Moskau trotz einer "zügellosen NATO-Erweiterung" nicht in ein neues Wettrüsten locken.

Washington enttäuscht

Die US-Regierung bezeichnete die Raketenpläne als "enttäuschend". Der Sprecher des US-Außenamts, Sean McCormack, bekräftigte in Washington, dass die geplante Stationierung von US-Abwehrraketen in Polen und eines Radarsystems in Tschechien keine Bedrohung für das russische strategische Atomarsenal darstelle. "Dies richtet sich nicht gegen Russland", sagte McCormack. "Hoffentlich werden sie es eines Tages einsehen." Ein Pentagon-Sprecher sagte, Washington werde ungeachtet der russischen Pläne versuchen, mit seinen europäischen Partnern bei der Stationierung des US-Raketenschilds in Mitteleuropa zusammenzuarbeiten.

Die Pläne trügen nicht zum Dialog bei, "den wir führen wollen", hieß es aus Prag. Eine Sprecherin des tschechischen Außenministeriums kritisierte: Die Ankündigung des russischen Staatschefs bestätige "gewisse Vorurteile, die in Europa über Russland bestehen". Polen reagierte gelassen. "Ich würde solchen Erklärungen kein übermäßiges Gewicht beimessen", sagte der polnische Regierungschef Donald Tusk. Die Sicherheit Polens, der EU und der NATO-Länder hänge in einem "relativ geringen" Maß von Äußerungen dieser Art ab. Das Militärpotenzial Russlands sei aber groß.

Der Gouverneur von Kaliningrad begrüßte dagegen die Entscheidung seines Präsidenten. Das Aufstellen von "Iskander"-Systemen und Störsendern als Antwort auf den in Mitteleuropa geplanten US-Raketenabwehrschild sei "angemessen und verständlich", sagte Georgi Boos. Die russischen Raketen seien nicht als Bedrohung der Nachbarn gedacht, sondern als Gegengewicht einer einseitigen militärischen Aufrüstung in Europa.

Die Stationierung der Raketen sei notwendig, um die geplante US-Raketenabwehr in Tschechien und Polen zu neutralisieren, meinte auch der russische NATO-Botschafter Dmitri Rogosin gegenüber der Agentur RIA Novosti. "Niemand von den vernünftig denkenden Menschen glaubt an Märchen über die iranische Raketengefahr", sagte er. "Dass die Europäer sich weiterhin von den USA in der Allianz erpressen lassen, ist ihre Sache. Aber für uns, darunter auch für das Gebiet Kaliningrad, bedeutet das (Raketenabwehr; Anm.) eine unmittelbare militärische Gefahr (...) Die Stationierung von Raketen auf dem Territorium Polens unweit von Kaliningrad ist eine unmittelbare Bedrohung für die Sicherheit Russlands."

In Medwedews Rede, deren Schwerpunkt auf der angestrebten Demokratisierung Russlands lag, gab der Präsident außerdem den USA eine Mitverantwortung für den Krieg gegen Georgien. Moskau werde aber im Kaukasus nicht nachgeben. Vor dem Hintergrund der internationalen Finanzkrise forderte der Kreml-Chef eine radikale Reform des Weltfinanzsystems. Russland sei zur Zusammenarbeit mit den USA, der Europäischen Union und den BRIC-Schwellenländern Brasilien, Indien und China bereit. Russland werde gestärkt aus der Krise hervorgehen, meinte Medwedew während der rund eineinhalbstündigen Ansprache im Kreml, die vom Staatsfernsehen live übertragen wurde.

Innenpolitisch schlug er eine Verlängerung der Amtszeit des Staatsoberhauptes von vier auf sechs Jahre vor. "Es geht nicht um eine Reform der Verfassung, sondern nur um eine Korrektur." Auch die Legislaturperiode des Parlaments solle von vier auf fünf Jahre verlängert werden. Die Kreml-Partei Geeintes Russland kann mit ihrer Zweidrittel-Mehrheit in der Staatsduma die Verfassung ändern. Außerdem forderte Medwedew vor etwa 1.000 Politikern, Unternehmern, Geistlichen und Repräsentanten des öffentlichen Lebens, dass auch kleinere Parteien künftig über eine Änderung des Wahlgesetzes im Parlament vertreten sein sollen. (APA/dpa/AP/RIA)