Die Reaktion der Börsen auf den Wahlsieg Barack Obamas war nicht gerade berauschend. Die Märkte warten auf konkrete Maßnahmen: höhere Steuern und Hilfen für die Autoindustrie sowie erneuerbare Energien.

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So recht wissen die Märkte noch nicht, was auf sie zukommt. Ein Blick in die Statistik sorgt nicht gerade für Euphorie: Wahljahre, in denen der Präsident der regierenden Partei aus dem Amt gejagt wurde, haben sich bisher tendenziell als dürftige Perioden erwiesen. Laut den bis 1900 zurückreichenden Daten von Ned Davis Research beschert die Bestätigung der herrschenden Partei dagegen der Wall Street im Schnitt ein Plus von elf Prozent.

Noch ein schlechtes Vorzeichen bringt die Statistik: Demnach wirkt sich die parteipolitische Machtteilung zwischen Kongress und Präsident positiv auf die Kurse aus, wie etwa die Amtszeiten von Ronald Reagan und Bill Clinton zeigen. Das Patt führe in der Regel zu breiten Kompromissen, die auch von den Börsen honoriert würden, interpretieren Analysten den Zusammenhang. Eine mögliche positive Ableitung aus den vielzähligen Daten: Insgesamt haben demokratische Präsidenten den Aktionären bisher mehr Profit gebracht als republikanische.

Ob Barack Obama die Statistik bestätigt und sich die Zukunft an die Vergangenheit halten wird, darüber kann derzeit nur orakelt werden. Ebenfalls rätseln kann man darüber, wie der künftige US-Präsident die wirtschaftlichen Probleme des Landes angehen wird. Das Rezessionsszenario hat sich in den letzten Tagen verdichtet: Allein im Oktober wurden 157.000 Jobs gestrichen, die Auftragsbücher der Industrie schrumpften im September um 2,5 Prozent und diverse Geschäftsklimaindizes weisen auf den größten Wirtschaftsabschwung seit der Depression Anfang der 80er-Jahre hin.

Obama hat sich bereits für konjunkturelle Stimulierung ausgesprochen, doch der finanzielle Spielraum ist angesichts des ihm mit auf den Weg gegebenen Rekorddefizits von einer Billion Dollar im seit Oktober laufenden Haushaltsjahr ziemlich eng. Steuererhöhungen wurden bereits vage angekündigt, zumindest für Unternehmen, Kapitaleinkünfte und obere Einkommensschichten. Zudem dürfte es - beflügelt durch einen weltweiten Trend - zu mehr Regulierung an den Finanzmärkten kommen, was vor allem Hedgefonds und Ratingagenturen zu spüren bekommen werden.
Als Retter in der Not könnte sich Obama für die angeschlagene US-Autoindustrie erweisen.

Der Demokrat hat bereits eine Verdoppelung des geplanten Kreditprogramms für den Sektor im Ausmaß von 50 Milliarden Dollar angekündigt, angeblich um die Umrüstung auf effizientere Kraftfahrzeuge zu fördern. Mit gemischten Gefühlen sehen die Ölkonzerne dem Wechsel entgegen. Obama will eine Steuer auf Windfall-Profits einführen, die dem Sektor durch hohe Energiepreise in den Schoß fallen.

Nutznießer könnten die Multis wiederum von den großen Plänen zum Ausbau von Alternativenergien werden, die sie dominieren. Nicht gerade für Euphorie sorgt der Wahlsieg bei der Pharmaindustrie, die sich auf niedrigere Medikamentenpreise einstellen muss.

Die unmittelbare Reaktion der Märkte auf das Ergebnis des Urnengangs war jedenfalls nicht gerade berauschend. Nach einem starken Wochenbeginn gaben die Börsen ihre Gewinne wieder teilweise ab, auch der Dollar fiel ziemlich deutlich. Nach dem Wahlkampf gibt die Realwirtschaft wieder den Ton an den Börsen an. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 06.11.2008)