Paris/Luxemburg/Ljubljana /Zürich/Warschau - Internationale Tageszeitungen kommentieren am Donnerstag die Wahl des demokratischen Senators Barack Obama zum Präsidenten der USA:

"Le Monde" (Paris):

"Barack Obama hat während des Wahlkampfes zahllose Fallen vermieden und hat unzählige Vorurteile besiegt, ehe er mit seinem Sieg Amerika und dem Rest der Welt ein starkes Zeichen des Optimismus gegeben hat. Er hat es geschafft, die Gräben einer Gesellschaft einzuebnen, die mit Sklaverei und Rassentrennung geboren wurde. Der neue Präsident hat die Spannungen überwunden und hat den Groll der Schwarzen und die Sorgen der Weißen in eine einzige Waagschale zusammengefügt, um allen eine Perspektive der Gerechtigkeit zu geben. Da Obama ohne eigene Doktrin an die Macht getragen wurde, trägt er jetzt den amerikanischen Traum. Er ist der richtige Mann der Stunde."

"Le Figaro" (Paris):

"Außerdem lehren uns die Amerikaner, dass es nicht verboten ist, stolz auf sein Land zu sein. Ein amerikanischer Schwarzer ist zuallererst ein Amerikaner, der an sein Land glaubt und die Nationalhymne mit der Hand auf dem Herzen singt. Das ist ein nachdenkenswertes Beispiel in dem Augenblick, in dem (der französische Minister für Einwanderung und Nationale Identität) Brice Hortefeux vorschlägt, die Einwanderer die 'Marseillaise' und ihre Bedeutung zu lehren. Vor nicht allzu langer Zeit hätte ein solcher Vorschlag als reaktionär gegolten. Heute fragt man sich, ob er nicht zutiefst fortschrittlich ist?"

"Frankfurter Allgemeine Zeitung":

"War es ein Zufall, dass der russische Präsident seine erste Rede zur Lage der Nation ausgerechnet an dem Tag hielt, an dem die ganze Welt mit unverhohlener Anerkennung und Begeisterung zur Kenntnis nahm, wem die Bürger der Vereinigten Staaten in innen- wie außenpolitisch schwierigen Zeiten die Führung ihres Landes anvertraut hatten? Wohl kaum. Nicht einmal am Tag seines größten Triumphes wird Obama ein wenig Schonung zugestanden. Im Gegenteil: Die Bringschuld für eine Verbesserung des amerikanisch-russischen Verhältnisses soll aus der Sicht Moskaus allein bei ihm liegen. Washington und Moskau haben - nicht zuletzt wegen ihrer Atomwaffenarsenale - in der Tat viel zu bereden. Medwedjews Begrüßungsansprache für Obama klang allerdings nicht wie die Einladung zu einem Gespräch, sondern eher wie ein provozierender Test.

"Tages-Anzeiger" (Zürich):

"Nach einem Wahlkampf voller Dramen, Emotionen und polarisierender politischer Debatten haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt. Die spektakuläre Kampagne mit ihren Höhen und Tiefen widerspiegelte Amerika: Barack Obama, John McCain und ihre 'running mates' standen während der ganzen Wahlkampfzeit für die faszinierende Vielfalt und damit die innere Stärke der USA. Die Mission des neuen Präsidenten besteht jetzt darin, diese unterschiedlichen Wertvorstellungen, Lebensstile und Rassenzugehörigkeiten zu moderieren.(...) Bald wird die Hälfte der Amerikaner unter 18 Jahren einer ethnischen Minderheit angehören; im Jahre 2042 werden die Weißen in der Minderheit sein. Diesen gesellschaftlichen Wandel machte sich der vitalste Redner seiner Generation, Barack Obama, zunutze."

"Rzeczpospolita" (Warschau):

"Obamas Sieg ist auch ein Sieg der amerikanischen Demokratie. Dieses System zeigt eine erstaunliche Kraft. Ein politisches System lebt, wenn es offen ist, wenn es sich den neuen gesellschaftlichen Wünschen nicht verschließt und sich für neue Eliten öffnet. Ihr Protest- und Widerstandspotenzial kann für das Gemeinwohl genutzt werden. Eine solche Chance hat Barack Obama erhalten. (...) Das bedeutet allerdings eine noch größere Verantwortung. Obama wird mit Problemen konfrontiert, die sich nicht mit Rhetorik lösen lassen. (...)

Erst jetzt steht Obama vor einer echten Bewährungsprobe. Er wird nicht nur für Amerika, sondern auch für die Weltordnung verantwortlich sein. Jedes unvorsichtige Wort, jeder Moment der Schwäche und Unentschlossenheit - das hatte er während der Georgien-Krise gezeigt - können (gegen ihn) ausgenutzt werden. Nicht nur Nordkorea und der Iran werden versuchen, die Charakterstärke Obamas zu testen. Wir wollen hoffen, dass der neue US-Präsident das versteht."

"Jyllands-Posten" (Århus):

"Mit der Wahl von Barack Obama zum 44. Präsidenten der USA ist ein neues Kapitel in der Geschichte dieses Landes aufgeschlagen worden. Und es wurde die Hoffnung geweckt, dass die Supermacht wieder zu einer optimistischeren und progressiveren Linie zurückfindet. Dass der Sohn einer weißen Frau aus Kansas und eines schwarzen Mannes aus Kenia in elf Wochen ins Weiße Haus einzieht, kann nur als epochal in einem Land bezeichnet werden, wo Bundesstaaten derartige Verbindungen noch vor wenigen Jahren unter Strafe gestellt haben. Die widerliche Grimasse des Rassismus kann nicht mit einer einzigen Wahl zum Verschwinden gebracht werden. Der Schandfleck der Sklaverei lässt sich niemals wegwischen. Aber die Amerikaner können stolz darauf sein, dass sie das Versprechen ihrer Verfassung, wonach alle Menschen mit gleichen Rechten geboren werden, mit neuem Inhalt gefüllt haben."

"Libération" (Paris):

"Barack Obama ist nicht der höchste Retter in der Not. Er (...) hat den Vorteil, drei Monate und nicht drei Jahre nach dem Ausbruch der großen Krise gewählt worden zu sein. Die Welt erwartet zu Beginn dieses Jahrhunderts einen New Deal. Keine Revolution, sondern humane, zusammenhängende und effiziente Reformen. Kurz: Eine konkrete Utopie, die dem Alten Kontinent so schmerzlich fehlt. Kann der Mann seinem Schicksal gerecht werden? Er hat auf jeden Fall das Talent dazu. Yes, he can."

"Corriere della Sera" (Mailand):

"Niemand kann heute wissen, was der neue Präsident tun wird und was aus den Vereinigten Staaten von Amerika unter Barack Obama wird. Alle aber, auch die vielen in der Welt verstreuten Feinde der USA, müssen jetzt anerkennen, dass die amerikanische Demokratie auch heute noch über Gaben verfügt, wie sie keine andere politische Gemeinschaft besitzt. (...). Allgemein richtig ist dabei, dass in Krisenzeiten Persönlichkeiten mit Charisma sich mit größerer Wahrscheinlichkeit durchsetzen können. Und zweifellos hat also diese überaus tiefgehende Finanzkrise mit den schwerwiegendsten Auswirkungen vor allem auch auf die amerikanische Wirtschaft den Outsider Barack Obama begünstigt."

"La Repubblica" (Rom):

"Ein Mann, der aufgrund seines Werdegangs und seiner politischen Botschaft selbst schon die Ikone des Wandels ist, zieht mit dieser Wahl am Dienstag ins Weiße Haus ein und auch in die Geschichte. Es war eine Wahl, die eine Politik beendet und gleichzeitig eine neue Epoche eröffnet, für die USA wie für die Welt. Indem Barack Obama das Unmögliche gedacht hat, als Afroamerikaner Präsident zu werden, und es ihm dann gelungen ist, dieses auch zu verwirklichen, hat er nicht nur den amerikanischen Traum vom großen Abenteuer bestätigt. Er hat auch voll und ganz den Gründerpakt der Nation bekräftigt, der bisher Stückwerk geblieben war. Denn die Hautfarbe wirkte in der größten Demokratie der Welt immer noch wie ein Hindernis, wenn es um die volle Verwirklichung der Rechte ging. Und die Nation aus dem Weißen Haus heraus zu führen, das war bis jetzt doch ein Symbol, ein Tabu, eine unsichtbare Schranke nach den Jahren der Rassendiskriminierung."

"The Independent" (London):

"Das Erbe von Bush hätte jeden republikanischen Kandidaten niedergerungen, und so passierte es auch John McCain, der sich noch am stärksten von allen parteiinternen Mitbewerben von Bush unterschied. Es war McCains persönliche Tragödie, dass er im Jahr 2000 in den Vorwahlen gegen Bush verloren hatte. Zwar war er noch ein energischer Wahlkämpfer, aber er hatte seine beste Zeit offen gesagt schon hinter sich, als er schließlich eine zweite Chance bekam. Und außerdem sah er sich dem wohl beeindruckendsten Politiker mit dem besten Instinkt seit John F. Kennedy gegenüber."

"El País" (Madrid)

Barack Obama wird es als Präsident der USA nicht leicht haben. Er tritt auf wirtschaftlichem, diplomatischem und militärischem Gebiet ein schweres Erbe an. Es wird keine einfachen Lösungen geben. Aber Obama besitzt die Fähigkeit, im richtigen Augenblick das Richtige zu sagen. Sein Wahlsieg ist vielleicht die letzte Möglichkeit, die Weltpolitik aus ihrer beunruhigenden Lage auf einen rechten Kurs zu bringen.

Obama verdient es, dass man mit ihm zusammenarbeitet. Der amerikanische Traum und die liberalen, demokratischen Traditionen dieses großen Landes dürfen nicht scheitern und nicht ein weiteres Mal von den falschen Leuten in Anspruch genommen werden."

"Neue Zürcher Zeitung":

"Amerika hat eine politische Erneuerung dringend nötig, und in diesem Sinne bringt der Sieg Obamas eine willkommene Blutauffrischung. Aber mit seiner Wahl wagen die Amerikaner einen Sprung ins Ungewisse. Die mangelnde Erfahrenheit des Demokraten hat sich in der Kampagne wiederholt gezeigt. Wie der Gewählte regieren wird, bleibt eine offene Frage. Sein Charisma wird ihm im Amt helfen, aber nicht ausreichen, um konkrete Herausforderungen wie die Sicherung der Altersvorsorge oder die Stabilisierung des Irakszu bewältigen. Selbst unter dem Scheinwerferlicht eines zweijährigen Wahlkampfes ist Obama ein Rätsel geblieben." (APA/dpa/AFP)