Wolfgang Schüssel macht sich offenbar einen Sport daraus, den Mächtigen der österreichischen Realverfassung kalt lächelnde Absagen zu erteilen. Da ist seine Weigerung, sich von Hans Dichand die Regierungsbildung vorgeben zu lassen. In jüngster Zeit ließ er aber auch die Elite des heimischen Bankwesens, darunter weltanschaulich durchaus Nahestehende, an seiner Gelassenheit zerschellen. Mittwoch intervenierte der Boss einer wichtigen "schwarzen" Bankengruppe bei ihm, um Justizminister Böhmdorfer entweder bei der Regierungsbildung überhaupt nicht mehr zu berücksichtigen bzw. bei einem für Banken "enorm heißen Thema" einzubremsen. Doch Schüssel zuckte sinngemäß mit den Achseln.

Als Folge steht die Möglichkeit im Raum, dass die österreichische Bankenwelt in Kürze enthauptet wird. Topnamen der heimischen Kreditinstitute wie Randa (Bank Austria), Treichl (Erste), Elsner (Bawag) und Rothensteiner (Raiffeisen Zentralbank) könnten von ihren Posten suspendiert werden. Gegen diese Herren und zehn andere erhebt nämlich der Staatsanwalt wegen Verstöße gegen das Kartellgesetz (Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren). Kommt es zur Anklage, so müsste das Aufsichtsorgan "Finanzmarktaufsicht" den Angeklagten die Geschäftsführungsfähigkeit absprechen.

Intervention

Schüssel meinte auf die Intervention des Top-Bankers (der nicht Gegenstand von Untersuchungen ist) nur, das sei eben der Lauf der Justiz, er werde Minister Böhmdorfer ohnehin die Konsumentenschutz-Kompetenz entziehen. Daraus konnte sein Gesprächspartner zunächst entnehmen, dass Böhmdorfer Justizminister bleibt. Auch sonst war es ihm wenig Trost, da das Verfahren bereits läuft.

Warum sollen Kartellabsprachen unter Banken nicht geahndet werden? Aber die Sache hat einen verdächtigen politischen Hintergrund: Böhmdorfer ist ein enger politischer Freund von Jörg Haider. Dieser aber reichte bei der Staatsanwaltschaft im Juni 2002 eine "Sachverhaltsdarstellung" (= Anzeige) ein. Und zwar über eine "unabhängige Rechtsanwaltschaftsgemeinschaft" Gheneff-Rami, wobei es sich bei Huberta Gheneff und Michael Rami um jene Anwälte handelt, die Böhmdorfers alte Kanzlei unter dem Namen "Böhmdorfer Gheneff KEG" weiterführen (und Böhmdorfer "Pacht" zahlen).

Schiefe Optik

Der Staatsanwalt ist weisungsgebunden gegenüber dem Justizminister. Der wiederum sieht, vielleicht aus seinem deutschnationalen Hintergrund, die Banken ("raffendes Kapital") besonders kritisch. Was immer man über die Banker denken mag: Die Optik dieses Strafverfahrens ist, wie so oft bei Böhmdorfer, äußerst schief, eine Unvereinbarkeit steht im Raum. Aber Schüssel meinte lediglich, das Ganze werde ohnehin glimpflich ausgehen. Kann sein. Die Staatsanwaltschaft ist nicht glücklich - vor allem, weil Tatbestände aus dem Jahr 1998 untersucht, die im neuen Kartellrecht nur mit Geldstrafen belegt sind.

Die "Finanzmarktaufsicht" sucht schon nach Möglichkeiten, die Enthauptung der Bankenwelt wegen drohender Destabilisierung derselben nicht verhängen zu müssen. Ein Weg wäre, dass die Staatsanwaltschaft die Anklage auf den neuen Paragrafen verlegt, der nur Geldstrafen vorsieht. Aber Anklage bleibt Anklage. Und das, obwohl sie Schüssel (unter Federführung von Raiffeisen) 45 Millionen Dollar zur Regelung der Restitutionsansprüche von NS-Opfern gegeben haben. Aber Schüssel hatte eine Koalition mit der FPÖ zu bilden. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 28.2.2003)

hans.rauscher@derStandard.at