Cambridge/Wien - "Man verwirkt seine eigenen Rechte, wenn man seine Pflichten nicht erfüllt und Verträge nicht respektiert" , sagt Houchang E. Chehabi, Professor für Internationale Beziehungen und Iran-Spezialist an der Harvard University, zum Atomstreit mit dem Iran: Wenn das UNO-Mitglied Iran dem UNO-Mitglied Israel das Existenzrecht abspreche, dann sei das klar ein solcher Fall. Trotzdem begrüßt Chehabi im Gespräch mit dem Standard die Suche nach neuen diplomatischen Wegen in der amerikanischen Iran-Politik, die Barack Obama zugetraut wird.

Man sollte sich jedoch keine gewagten Ausbrüche aus der Norm der US-Außenpolitik erwarten, sagt Chehabi. Obama möchte zwar eine neue Iran-Politik, aber um sich angesichts mangelnder eigener Erfahrung "respektabel zu zeigen", habe er sich mit dem traditionellen demokratischen Außenpolitik-Establishment umgeben, Leuten, die schon Bill Clinton gedient haben.

Und selbst wenn es irgendwelche neuen Initiativen von Obama geben sollte: An der Person des jetzigen Präsidenten Mahmud Ahmadi-Nejad würde wohl alles scheitern. Erst wenn zu einer neuen amerikanischen eine neue iranische Regierung kommt, könnte etwas auf die Beine gestellt werden, meint Chehabi. Dies auch, wenn der Präsident nach Ahmadi-Nejad nicht wesentlich liberaler wäre: Es wäre schon anders, wenn die Invektiven gegen Israel aufhörten.

Chehabi berichtet von Gerüchten, dass bereits ein Angebot der USA zu einer Gesprächsaufnahme vorliege, jedoch ohne Ahmadi-Nejad. In der Folge wurde auch die "Erschöpfungserkrankung" Ahmadi-Nejads von manchen Beobachtern so interpretiert, dass im Iran das Szenario vorbereitet wird, dass sich der iranische Präsident aus Gesundheitsgründen bei den Wahlen im Juni 2009 nicht um eine zweite Amtszeit bewerben wird. Dann wäre der Weg frei.

Laut Chehabi wird jetzt ernsthaft in Washington abgewogen, ob die USA nicht in der Schweizer Botschaft in Teheran US-Diplomaten installieren sollten, als offizielle amerikanische Interessenvertreter. Eine iranische "Interest Section" in Washington gebe es ja auch - allerdings auch eine große Anzahl von Iranern in den USA. Die Iraner waren zuerst in der algerischen Botschaft angesiedelt, heute sind sie in der pakistanischen. In Teheran werden die US-Interessen hingegen derzeit von Schweizer Diplomaten vertreten.

Die "Dummheit" von 2003

Ob das nicht bereits ein beachtlicher Schwenk sei, angesichts des zugespitzten Atomstreits - soeben verschärften die USA wieder die Wirtschaftssanktionen - und auch eingedenk der Tatsache, dass die USA 2003, noch zu Zeiten von Präsident Mohammed Khatami, ein umfassendes iranisches Gesprächsangebot abgelehnt haben? Die USA hätten wohl eingesehen, dass das eine Dummheit war, so Chehabi, dazu mögen auch die Schwierigkeiten im Irak beigetragen haben. Chehabi äußert jedoch Verständnis für die US-Skepsis, die 2003 dazu führte, dass eine Gelegenheit ungenützt verstrich: Die Iraner hatten zuvor ebenso oft etwas zugesagt wie es nachher wieder zurückgenommen. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 8.11.2008)