Salzburg - Hat die Stadt Salzburg im Herrschaftskonzept der Nationalsozialisten eine besondere Stellung eingenommen? "Ja", sagt Thomas Weidenholzer, Historiker im Haus der Stadtgeschichte. Die NS-Kulturpolitik habe der Salzburg "eine besondere Rolle im Antimodernismus" zugedacht. Salzburg sei das Gegenkonzept "zum Moloch Wien", zur Großstadt, "wo das Judentum und die Kriminalität zu Hause ist", gewesen.

Die kulturpolitische Funktion von Festspielen oder Mozart ist aber nur eine - wenn auch wesentliche - Facette eines umfangreichen Forschungsprojektes, mit dem die Geschichte der Landeshauptstadt während des NS-Herrschaft aufgearbeitet werden soll. Bis zum Jahr 2015 soll ein Gesamtbild von der Vorgeschichte des Antisemitismus und der hohen Akzeptanz der NS-Ideologie an der Salzach über Verfolgung und Terror, die NS-Stadtplanung und -stadtverwaltung bis zur Rolle der Kirche und der sogenannten Entnazifizierung entstehen. Auf die Ergebnisse wird man aber nicht bis 2015 warten müssen. Vieles soll ab 2009 in jährlichen Vortragsreihen und Publikationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Wissenschaftlicher Träger des ambitionierten Vorhabens ist das Haus der Stadtgeschichte. Geplant sei, die Forschungsarbeiten in enger Kooperation mit der Universität und anderen renommierten Salzburger Historikern wie beispielsweise Gert Kerschbaumer durchzuführen, so der Leiter des Stadtarchives Peter Kramml bei der Projektpräsentation am Dienstag. Die Stadt finanziert die wissenschaftliche Aufarbeitung der NS-Diktatur mit jährlich 40.000 Euro.

Neben einer Bibliografie, einer Sammlung von Bilddokumenten und einer Stadtchronik von 1938 bis 1945 ist auch ein biografisches Lexikon im Entstehen. Hier sollen möglichst alle Täter wie auch möglichst alle Opfer und Gegner des Regimes erfasst werden. (Thomas Neuhold/DER STANDARD, Printausgabe, 12.11.2008)