ModeratorIn: Lieber Herr Kolba, lieber Herr Hirmke, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für unseren Chat nehmen. Liebe UserInnen guten Tag. Wir bitten Sie um möglichst kurze und verhältnismäßig allgemein formulierte Fragen.

Kolba, Hirmke: Schönen guten Tag! Sie können sich vorstellen, dass wir in diesen Tagen häufig mit Fragen zur Anlageberatung konfrontiert werden. Wir sind schon gespannt auf Ihre Fragen und hoffen Ihnen mit unseren Antworten auch praktische Hilfe leisten zu können.

UserInnenfrage per Mail: Inwieweit haftet jener Sachverständige, der das Gutachten über die Immofinanz ausgestellt hat und die Aktie als mündelsicher bezeichnete?

Kolba, Hirmke: Kolba: Wir gehen davon aus, dass eine Aktie grundsätzlich keine mündelsichere Veranlagung darstellt und hegen daher Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens. Wir gehen davon aus, dass dem Gutachter bewusst gewesen sein muss, dass sein Gutachten im Vertrieb der Aktie Verwendung findet und er daher Dritten (nämlich den Anlegern) für allfällige Fehler des Gutachtens haftet. Wir prüfen daher, ob wir dazu einen Musterprozess führen werden.

UserInnenfrage per Mail: Bitte, wie wird man einen AWD-Berater wieder los? Drohen ihrgendwelche Zahlungen, wenn ich keine "Beratung" mehr wünsche?

Kolba, Hirmke: Hirmke: Sie können eine allenfalls erteilte Vollmacht jederzeit kündigen. Ob daraus Zahlungsverpflichtungen entstehen können hängt letztlich von dem Vertrag mit dem Berater ab. Grundsätzlich ist eine Zahlungsverpflichtung aber eher nicht zu erwarten, da beispielsweise der AWD - unseres Wissens - seine Provisionen vor allem von den Emittenten bezieht.

UserInnenfrage per Mail: Kann der vki auch aktieninhaber von Immoeast/Immofinanz bei der Hauptversammlung vertreten?

Kolba, Hirmke: Kolba: Nein. Wir empfehlen, sich in dieser Frage z.B. an die IVA (Interessensvertreter für Anleger) zu wenden.

Alexander Kurz: Wir wurden von unserem AWD Berater beim Kauf sehr gut beraten (Hinweis auf Aktie, Kursschwankung bis Totalverlust, Alternativen, kein Verweis auf "mündelsicher") allerdings seit Sommer 2007 immer wieder - unter Hinweis auf guten Informationsfluss zw

Kolba, Hirmke: Kolba: Grundsätzlich ist der Anlageberater verpflichtet auch während der Laufzeit eines Produktes über Entwicklungen und über die Risken zu informieren. Ob und wie lange der Rat weiter zuzuwarten ein falscher Rat war, wäre im Streitfall von einem gerichtlichen Sachverständigen zu beurteilen. Dazu kommt das Problem, dass es vom Zeitpunkt abhängt in welcher Höhe sich ein allfälliger Schaden berechnet. Sollte allerdings herauskommen, dass dieser Rat etwa im Eigeninteresse des AWD gegeben wurde (weil etwa Bestandsprovisionen kassiert werden), sehen wir auch in diesem Fall Chancen für Schadenersatzansprüche.

UserInnenfrage per Mail: Ich nehme an, dass mein Fall nicht der einzige ist: Fremdwährungskredit aufgenommen, als Tilgungsträger Immofinanz genommen. Ich habe mehrmals darauf hingewiesen, dass ich eine sichere Veranlagung will, dass mir Währungsrisiko und Zinsrisiko bewusst

Kolba, Hirmke: Kolba: Der springende Punkt ist, ob Sie klar darüber aufgeklärt wurden, dass auch bei einer Immobilienaktie, die auch für einige Zeit im Kurs immer wieder gestiegen ist, immer das Risiko des Totalverlustes gegeben ist. Wenn Sie sich auf dieses Risiko, das Aktien immanant ist, bewusst eingelassen haben, haben Sie keine Chance auf Schadenersatz. Hirmke: Ob eine Aktie überhaupt als Tilgungsträger für einen Fremdwährungskredit herangezogen werden darf, würden wir bezweifeln. Da wäre über das Gesamtkonstrukt falsch beraten worden.

UserInnenfrage per Mail: Was bedeutet "mündelsichere Aktie" eigentlich? heißt das vielleicht, dass der investierte Betrag im Falle eines Aktienverlusts trotzdem ausbezahlt werden muss?

Kolba, Hirmke: Kolba: Nein das heißt es nicht. Unserer Ansicht nach gibt es keine "mündelsichere" Aktie. Im Übrigen sieht das Gutachten zur Immofinanzaktie Mündelsicherheit auch nur dann als gegeben an, wenn diese Aktien einen breit gestreuten Portfolio beigemischt werden. Unserer Erfahrung nach wurde aber oft zu einem eindimensionalen Investment geraten: alles auf Immofinanz. Das ist auch im Licht des Gutachtens ein falscher Rat.

Monika Dörfler #1: Inwiefern haftet in einer allfälligen Klage wegen Beratung zur Immofinanzaktie (wurde in meinem Fall als sehr sicher dargestellt) der persönliche Berater, inwiefern richtet sich die KLage dagegen gegen den AWD? Mein Berater von damals ist jetzt nich

Kolba, Hirmke: Kolba: Der einzelne Berater des AWD ist als Erfüllungsgehilfe des AWD anzusehen und Schadenersatzansprüche werden daher in erster Linie gegen den AWD zu stellen sein. Es ist aber nicht auszuschließen, dass der AWD von seinen Beratern in einem solchen Fall Regress verlangt.

Don Corleone06: gibt es eine verjährung für eventuelle Beraterhaftung? ich habe meine immofinanzaktien bereits 1997 über AWD erworben.

Kolba, Hirmke: Hirmke: Schadenersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung verjähren innerhalb von 3 Jahren ab Kenntnis des Schadens. Der Erwerb der Aktien ist für die Auslösung dieser Frist der frühest mögliche Zeitpunkt, aber wahrscheinlich nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist, wann Ihnen bewusst wurde, dass Sie falsch beraten wurden, d.h. etwa in dem Zeitpunkt indem die Aktie entgegen der Beratung Verluste gemacht hat. Kolba: Wenn allerdings der Berater Sie aufgrund Ihrer Beschwerde in der Folge hingehalten hat, besteht durchaus die Möglichkeit, dass Gerichte hier von einer Hemmung der Verjährung ausgehen und sich die Zeit von 3 Jahren in der Praxis verlängert.

Susi Stattnam: Ich moechte mich fuer Ihr Engagement und Ihre Information hinsichtlich des Fremdwaehrungskredites bedanken, Sie haben mir eine schwere Last von den Schultern genommen. Daher nur die Frage> wie konkret und sicher ist die VKI Linie, dass ein Fremdw

Kolba, Hirmke: Kolba: Wir gehen davon aus, dass ein Fremdwährungskredit für beide Seiten ein Spekulationsgeschäft ist. Im Zeitraum bis zur Fälligkeit der Kapitalrückzahlung kommt es naturgemäß zu oftmaligen Währungsschwankungen. Wenn die Bank daher vorsieht, dass bei Eintritt des von beiden Seiten eingegangenen Risikos (noch dazu bereits bei einer Schwankung von 10% - was im Laufe des Kredites öfter vorkommen mag) zwangskonvertiert oder sogar aufgekündigt werden kann, so sehen wir darin eine gesetzwidrige gröbliche Benachteiligung des Kreditnehmers. Dies ist unsere Rechtsmeinung, die wir aber erst in Verbandsklagen - wenn es zu solchen kommen sollte - durchsetzen müssen.

iano mai: Inwieweit ist eine Vermögensberatung wie der AWD verpflichtet eine "weite Risikostreuung" für den Kunden durchzuführen, wenn klar ist dass der Kunde wenig oder keine Erfahrung mit Veranlagungen hat. Meines Erachtens hat der AWD eigentlich ausschließ

Kolba, Hirmke: Kolba: Die mangelnde Streuung des Investments widerspricht sogar dem Gutachten zur Mündelsicherheit der Immofinanzaktie und stellt aus unserer Sicht einen groben Beratungsfehler dar.

Rainer Gschaftler: Wie wird in Ö. sichergestellt, dass nicht jeder unqualifizierte und/oder betrügerische Finanzberater tätig sein darf? Hier scheint gesetzlicher Handlungsbedarf, was wäre Ihr Verbeserungsvorschlag?

Kolba, Hirmke: Kolba: Grundsätzlich gibt es schon einen Rechtsrahmen, der eine qualifizierte Beratung sicher stellen soll. Wir denken an Regelungen in der Gewerbeordnung und insbesondere im Wertpapieraufsichtsgesetz. Letztlich ist es Aufgabe der Finanzmarktaufsicht - im öffentlichen Interesse - hier für Ordnung zu sorgen. Ob sie das im ausreichenden Umfang leisten kann, ist letztlich eine Frage der Ausstattung. Das wäre mit der FMA zu klären.

Gustav 1 an Gustav 2: AvW Invest Debakel: Ich habe AvW Genussscheine (oder das was davon übrig ist..) und fühle mich bez. Risiken seinerzeit generell nicht falsch beraten. Mein logisches Ziel ist: möglichst viel des investierten Geldes wieder herauszubekommen, das darf s

Kolba, Hirmke: Kolba: Soweit wir die öffentlich gemachten Hilfsangebote von Anwälten überblicken, werden nicht zivilrechtliche Sammelklagen sondern "Sammelinterventionen" angeboten. Dabei handelt es sich offenbar um den Anschluss Geschädigter in den anhängigen strafrechtlichen Ermittlungen als Privatbeteiligter. Das mag sinnvoll sein, weil zum einen im Strafverfahren Vorwürfe gegen die Gesellschaft bzw. deren Vorstand mit öffentlichen Geldern abgeklärt werden können (im Zivilverfahren müsste der Kläger Sachverständigenkosten vorfinanzieren) und zum anderen die Ansprüche der Privatbeteiligten gegen allenfalls einmal Verurteilte auf Schadenersatz nicht verjähren.

UserInnenfrage per Mail: Wenn ich mir meine Meinl European Land Papiere auszahlen lasse, kann ich mich dann trotzdem einer Sammelklage anschließen? Falls dies nicht möglich ist und ich sie stehen lasse, wie viel Aussicht auf Erfolg hat so eine Sammelklage?

Kolba, Hirmke: Kolba: Es kommt auf die Strategie des Sammelklägers an. Hat man die Beteiligungen verkauft, kann man den Differenzschaden geltend machen. Hat man nicht verkauft, bleibt die Naturalrestitution (Herausgabe der Beteiligungen gegen Zahlung des Ankaufspreises). Fragen Sie beim Organisator der Sammelklage welche Vorgabe für die Strategie er hat.

Don Corleone06: was kann ich als immofinanz - AWD geschädigter überhaupt tun ausser mich einer sammelklage anzuschliessen? rechtschutzversicherung oder finanzielle reserven um einen eigenen rechtsanwalt zu engagieren habe ich nicht

Kolba, Hirmke: Kolba: Wer über keine Rechtsschutzversicherung verfügt, muss sich im klaren sein, dass Schadenersatzklagen in der Regel mit einem großen Prozesskostenrisiko verbunden sind. Sammelklagen sind in dieser Situation insoweit ein Ausweg, als der hohe Streitwert einer Sammelklage die Prozesskosten im Verhältnis dazu dämpft und - finanziert die Sammelklage ein Prozesskostenfinanzierer - man sogar ohne Kostenrisiko teilnehmen kann. Im Erfolgsfall ist allerdings dem Prozesskostenfinanzierer eine Erfolgsquote abzuführen.

Bada Bumm: Wie finde ich die von Ihnen erwähnten Hilfsangebote für Sammelklagen. Mich interessiert AWD und Immofinanz, hauptsächlich aufgrund schlechter Beratung mit zu wenig Risikostreuung.

Kolba, Hirmke: Hirmke: Sie finden die Informationen zu unserer Sammelaktion im Auftrag des BMSK unter www.verbraucherrecht.at. Dort ist auch ein Onlinefragebogen eingerichtet. Die Teilnahme ist kostenlos.

iano mai: Kann ein grober Beratungsfehler eingeklagt werden? Soll heißen: kann irgendwie ein Rechtstitel unter dem man sein Geld von der AWD zurückfordern kann, erstritten werden? Wie sehen sie die Chancen bei einem derartigen Prozess?

Kolba, Hirmke: Kolba: Wenn man eine falsche Beratung nachweisen kann, dann ist der Berater bzw. der AWD zum Schadenersatz verpflichtet. Wir wissen aus vielen Rückmeldungen, dass bei Beratungen durch den AWD immer ein Gesprächsprotokoll ausgefüllt und vom Konsumenten unterzeichnet wurde. In diesen Gesprächsprotokollen finden sich auch Risikohinweise. Wir gehen aber davon aus, dass es nicht ausreicht, über Risken nur in einem Formular aufzuklären. Viel mehr muss die Aufklärung im Gespräch klar und deutlich erfolgen. Dass dies im konkreten Fall nicht erfolgt wäre, wäre im Gerichtsverfahren zu beweisen. Es ist für uns spannend, bei der Auswertung der Beschwerden im Rahmen der Sammelaktion von vielen Anlegern zu erfahren, wie sie konkret beraten wurden. Wir halten es für möglich, daraus Rückschlüsse auf zentrale Vorgaben durch den AWD ziehen zu können. Mehr können wir dazu aber erst sagen, wenn wir die Beschwerden alle ausgewertet haben.

UserInnenfrage per Mail: Ich habe Immofinanz durch AWD gekauft - nur vom letzten Mal ist das Besprechungprotokoll vorhanden, wo vom "Berater" der Punkt angekreuzt wurde, wo auf hohes Risiko hingewiesen wird. Es wurde vom AWDler behauptet, dass das Risiko nicht existiert, we

Kolba, Hirmke: Kolba: Wenn sich aus der Auswertung aller Beschwerden ergibt, dass Ihre Erfahrungen kein Einzelfall, sondern vielleicht sogar Methode sind, dann erhoffen wir uns davon für mögliche Gerichtsverfahren einen erheblichen Beweiswert.

Rainer Gschaftler: Gibt es Pläne, dass im Sinne der Transparenz für Kunden Provisionen bei Finanzprodukten offengelegt werden müssen und was würden Sie davon halten?

Kolba, Hirmke: Kolba: Das ist eine sehr gute Idee, die in der Judikatur des Bundesgerichtshofes in Deutschland aber auch des obersten Gerichtshofes in Österreich Eingang gefunden hat. Der mangelnde Hinweis auf solche Provisionen bei Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrages wurde als falsche Beratung und Auslöser für Schadenersatz angesehen. Darüber hinaus wäre das bei der Vermittlung von Finanzprodukten überhaupt eine gute Forderung im Sinn der Transparenz.

Joe T: Zusatz zu meiner vorherigen Frage (wurde leider zu früh gesandt): Macht man es sich Ihrer Meinung nach nicht zu einfach? Wäre nicht umfassende, vorbeugende Aufklärung über Risiken von Investionen eher ein Mittel, Verluste von Anfang an zu verhindern

Kolba, Hirmke: Kolba: In Österreich fehlt es unserer Meinung nach an einem ausreichenden Kapitalmarkt. Monitoring - das können die Konsumentenschützer aufgrund knapper Mittel einfach nicht leisten. Allerdings tragen Sammelklagen und damit Instrumente für einen effektiven Rechtsschutz zur Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen zur Generalprävention und damit indirekt wieder zum Schutz der Anleger bei. Es ist im Übrigen zu hoffen, dass die vom BMJ ausgearbeitete Gruppenklage bald beschlossen wird, weil sie die Situation geschädigter Anleger bei der Rechtsdurchsetzung weiter verbessern könnte. Man bräuchte sich nicht erst eine Institution zu suchen, die eine Sammelklage organisiert, sondern könnt mit Gleichgesinnten direkt beim Gericht eine solche Gruppenklage einleiten.

Weinsnoblehrling: Aber nicht nur bei AWD dürften die "Profis" sitzen ... wir sind gerade beim Auswählen unseres Tilgungsträgers für FWK und unser Raiffeisenberater hat uns vorgeschlagen, 100% in ganz offensichtlich hochriskante EmergingMarkets-, Ost- und Asien-Fonds

Kolba, Hirmke: Kolba: Wir kennen das Produkt nicht, wenn Sie aber davon ausgehen, dass es sich um ein Hochrisikoprodukt handelt, dann raten wir jedenfalls davon ab.

alpino: ist es auch denkbar, dass der vki strafrechtliche schritte veranlasst? immerhin wurde bei der immofinanz / -east millionen vernichtet.

Kolba, Hirmke: Kolba: Dem VKI fehlen dazu die notwendigen Informationen und ehrlich gesagt auch die Kapazität diese zu beschaffen. Wir sind daher gegenwärtig nicht in der Lage in dieser Richtung Hilfestellung zu bieten. Wir wissen aber, dass unter anderem der Prozessfinanzierer advofin in dieser Richtung vorgehen will.

ModeratorIn: Lieber Herr Kolba, lieber Herr Hirmke, vielen Dank, dass Sie zu uns gekommen sind. Liebe UserInnen, von den zahlreichen Fragen konnten wir leider nur einige beantworten, hoffen aber dennoch ein bisschen Licht ins Dunkel der Anlegerfragen gebracht zu

Kolba, Hirmke: Wir hoffen Ihnen ein wenig geholfen zu haben und verweisen für weitere Fragestellungen zum Thema nochmals auf www.verbraucherrecht.at. Auf Wiedersehen!