Die Welt versinkt derzeit in einer großen globalen Konjunkturverlangsamung, die wahrscheinlich die schlimmste des letzten Vierteljahrhunderts sein wird, vielleicht sogar seit der Weltwirtschaftskrise. Diese Krise ist in vielerlei Hinsicht "made in America". Die USA haben ihre faulen Hypotheken als verbriefte Wertpapiere in die ganze Welt exportiert. Und am Ende haben sie ihren Wirtschaftsabschwung weitergegeben.

Nun, da Amerika die Ersparnisse der Welt aufsaugt, um seine Probleme zu bewältigen, die Risikoprämien in die Höhe schnellen, das globale Einkommen, der globale Handel und die Rohstoffpreise fallen, stehen den Entwicklungsländern schwere Zeiten bevor. Diejenigen, die schon vor der Krise gro- ße Handelsbilanzdefizite und eine hohe Staatsverschuldung hatten, werden stärker zu leiden haben als die anderen. Die Länder, die ihre Kapital- und Finanzmärkte nicht vollständig liberalisiert haben, wie China, werden dankbar sein, dass sie dem Drängen des US-Finanzministeriums nicht nachgegeben haben.

Viele bitten bereits den Internationalen Währungsfonds um Hilfe. Das Problem ist, dass der IWF zumindest in einigen Fällen wieder auf seine alten, gescheiterten Rezepte zurückgreifen wird: Haushaltskonsolidierung und Geldmengenkontraktion, die die globalen Ungleichheiten nur noch vergrößern würden. Während die Industrieländer stabilisierende antizyklische Maßnahmen ergreifen, wären die Entwicklungsländer zu destabilisierenden Maßnahmen gezwungen, die das Kapital genau dann vertreiben würden, wenn sie es am meisten bräuchten.

Vor zehn Jahren, zur Zeit der Asienkrise, gab es viele Diskussionen über die Notwendigkeit, die globale Finanzarchitektur zu reformieren. Wenig - zu wenig, wie jetzt deutlich wird - wurde unternommen. Damals dachten viele, dass derart hochfliegende Forderungen ein bewusster Versuch wären, echten Reformen zuvorzukommen: Diejenigen, die mit dem alten System gut gefahren waren, wussten, dass die Krise vorübergehen würde, und mit ihr die Reformforderungen. Wir können das nicht erneut geschehen lassen.

Vielleicht ist es Zeit für ein neues "Bretton Woods". Die alten Institutionen haben den Reformbedarf erkannt, doch haben sie sich im Schneckentempo bewegt. Sie unternahmen nichts, um die aktuelle Krise zu verhindern; zudem macht sich nun, wo die Krise da ist, Besorgnis breit, wie wirksam die Reaktion dieser Institutionen ist.

Nach der Weltwirtschaftskrise benötigte die Welt 15 Jahre und einen Weltkrieg, um zusammenzukommen und auf die Schwächen des globalen Finanzsystems einzugehen, die zur Krise beigesteuert hatten. Man kann nur hoffen, dass wir dieses Mal nicht so lange dafür brauchen: Angesichts der starken globalen Verflechtungen wären die Kosten einfach zu hoch.

Doch während die USA und Großbritannien das alte Bretton Woods dominierten, ist die heutige globale Landschaft ganz anders. Ebenso haben sich die bestehenden Bretton-Woods-Institutionen in den vergangenen Jahren durch eine Reihe wirtschaftlicher Lehrsätze definiert, von denen jetzt deutlich wurde, dass sie nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern auch im Kernland des Kapitalismus gescheitert sind. Der bevorstehende Weltgipfel muss sich diesen neuen Tatsachen stellen, wenn er wirksam dazu beitragen soll, ein stabileres und gerechteres globales Finanzsystem zu schaffen. (© Project Syndicate 2008, Joseph E. Stiglitz, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15./16.11.2008)