Róbert Fico beim STANDARD-Interview in seinem Amtssitz: „Wir haben hier kein Problem damit, jemanden zu bestrafen, der eine Nazi-Uniform trägt. In Ungarn ist das anders."

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STANDARD: Herr Premier, sind wir Österreicher Ihre liebsten Nachbarn? Sie hatten zuletzt Krach mit Ungarn, auch das Verhältnis zu den Tschechen ist vorbelastet.

Fico: Dem kann ich nicht ganz zustimmen: Mit den Tschechen haben wir keine Probleme. Das mit Ungarn ist eine komplizierte Geschichte.

STANDARD: Wie getrübt ist das Verhältnis Budapest/Bratislava? Ihr Koalitionspartner Ján Slota von der Slowakischen Nationalpartei nannte die Ungarn zuletzt Mongolen, Budapest wollte er auch schon einmal mit Panzern plattwalzen.

Fico: Es gibt bei uns ein Sprichwort: Auch wenn die Hunde bellen, zieht die Karawane weiter. Die slowakische Regierung sollte nicht nach Aussagen, sondern nach Taten beurteilt werden. Bitte zeigen Sie mir, was die Regierung oder das Parlament verabschiedet haben, das gegen die Interessen der ungarischen Minderheit bei uns verstößt? Wir haben hier kein Problem damit, jemanden zu bestrafen, der eine Nazi-Uniform trägt. In Ungarn ist das anders. Wie ist es möglich, dass die Ungarische Garde in den Hauptstraßen und auf den Plätzen ihre öffentlichen Angelobungszeremonien abhält, Vertreter dieser Gruppe mit ihren Nazi-Uniformen sogar in die Slowakei einreisen? Wir akzeptieren das nicht.

STANDARD: Aber im Fall der ungarischen Minderheit geht es nicht nur um Rechtsfragen. Bei so einem sensiblen Thema kann jede rhetorische Provokation fatale Folgen haben.

Fico: Wenn ich etwas für wirklich nicht akzeptierbar halte, was gesagt wird, verurteile ich die Aussagen. Aber bei den praktischen Dingen ist der Rechtsstandard der ungarischen Minderheit sehr hoch. Das Wichtigste ist jetzt, dass ich mit dem ungarischen Premier Ferenc Gyurcsány eine gemeinsame Erklärung verabschiede, die jede Form des Extremismus verurteilt, die die guten Beziehungen zwischen uns und Ungarn stören könnten.

STANDARD: Tschechien übernimmt mit 1. Jänner 2009 den EU-Vorsitz. Präsident Václav Klaus in Prag unternimmt alles, um den Lissabon-Vertrag zu verhindern. Wird die tschechische Präsidentschaft die Entwicklung der EU hemmen?

Fico: Es wird tatsächlich eine sehr, sehr außergewöhnliche Situation sein, wenn die Präsidentschaft von einem Land ausgeübt wird, dass den Lissabon-Vertrag noch nicht ratifiziert hat. Manchmal kann es schwer sein zu verstehen, warum Klaus dieses oder jenes tut. Die wichtigste Institution in Prag ist und bleibt aber die Regierung. Ich baue darauf, dass die Übernahme der Präsidentschaft den Druck auf die Politiker in Prag erhöhen wird, diese Angelegenheit so rasch wie möglich zu lösen.

STANDARD: Während ganz Europa in eine Rezession rutscht, sind die Aussichten für die Slowakei nicht schlecht. Aber das Land ist massiv von Auslandsinvestitionen, vor allem der Autoindustrie, abhängig.

Fico: Es gibt in dieser Krise auch gute Neuigkeiten: Wir erwarten 2009 ein Wirtschaftswachstum von 4,6 bis zu fünf Prozent, was fantastisch wäre. Wir haben tatsächlich eine außergewöhnliche Konzentration der Automobilindustrie, wollen aber versuchen, ein breiteres Spektrum an Investoren anzulocken. Deswegen haben wir die Ansiedlung von Unternehmen wie Sony und Samsung unterstützt. Wenn Sie mit den hiesigen Chefs dieser Unternehmen reden, sieht es so aus, als hätte sie die Krise nicht getroffen. Im Gegenteil: Sie haben uns informiert, dass sie expandieren werden und weitere Jobs schaffen wollen.

STANDARD: Klingt so, als sollten wir Österreicher dringend Slowakisch lernen.

Fico: So meine ich das nicht. Aber meine Regierung versucht durch die Umsetzung einiger gewaltiger Projekte sicherzustellen, dass die Auswirkungen der Krise gering sind. Das mag in Österreich nicht sehr populär sein, aber wir haben uns dazu entschieden, zwei Blöcke des Atomkraftwerks Mochovce fertigzustellen. Ab Jänner beginnen wir den Bau einer Autobahn von Nitra nach Zvolen. Schließlich werden wir Ende Dezember einem Plan zur Finanzierung eines neuen Blocks im Atomkraftwerk Jaslovské Bohunice zustimmen. Allein dieses Projekt hat einen Umfang von drei Milliarden Euro.

STANDARD: Sie erwarten also keine Flucht ausländischer Investoren?

Fico: Nein. Wissen Sie, was die Basis für den Erfolg der Slowakei ist? Nicht Reformen. Denken Sie, Unternehmer kommen in unser Land, weil wir eine Flat Tax von 19 Prozent haben? Ganz und gar nicht. Unser Erfolg beruht darauf, dass die einfachen Menschen für sehr wenig Geld sehr hart arbeiten. Ich bin nicht sehr froh darüber, aber die Slowakei hat dadurch nun einmal einen großen Vorteil.

STANDARD: Nun fällt mitten in die Finanzkrise mit 1. Jänner 2009 die Einführung des Euro.

Fico: Manchmal sagen wir ja schon: Gott liebt uns hier in der Slowakei. Normalerweise geht die Einführung des Euro mit einer hohen Inflation zusammen. Aber wegen der ökonomischen Krise sieht es so aus, dass die Inflation zurückgeht. Die Einführung des Euro in einem Land könnte also erstmals in der Geschichte mit einem Rückgang der Preise und nicht einem Anstieg verbunden sein. (András Szigetvari und Lýdia Kokavcová, DER STANDARD, Printausgabe, 17.11.2008)