Krankheiten und Krisen müssen nicht unbedingt immer etwas Schlechtes sein. Medizin und Psychologie kennen das Phänomen des "Krankheitsgewinns": Der Kranke leide zwar an den Symptomen, gewinne aber mehr an Aufmerksamkeit und Beachtung, werde stets geschont, müsse sich unangenehmen Situationen im Alltag nicht mehr stellen, weil sie von anderen erledigt werden. Die Autoindustrie sieht in der aktuellen Finanzkrise auch wie ein Krankheitsgewinnler aus. Ihr soll nun - wie zuvor den Banken - mit Staatsgeldern durch die Krise geholfen werden. In Deutschland rief die Adam Opel AG am Freitag um Hilfe, am Montag stand die Politik bereits mit der Spritze da.

Doch in Wirklichkeit laufen die Dinge in der Autobauerwelt schon lange nicht mehr rund. Die Misere der US-Hersteller begann nicht erst mit der Implosion des dortigen Häuslkäufer-Ramschkredit-Systems. Die Autofirmen haben über Jahre auf Teufel komm raus Kapazitäten aufgebaut - im Bewusstsein, dass die verwendete Motorentechnik teilweise nicht mehr zeitgemäß ist, weil klar war, dass die Emissionsgesetze schärfer und die Spritmenge knapper werden müssen. Seit Jahren warnen auch Experten davor, dass nicht alle Autohersteller überleben können, da das Wachstum der Branche nicht ad infinitum fortgeführt werden könne.

Nun ist es durchaus die Aufgabe der Politik, sich um Rahmenbedingungen zu kümmern, damit Arbeitsplätze nicht verlorengehen. Hinter den Jobs stehen schließlich Schicksale. Aber der Staat hat sicher nicht genug Mittel, um allen jetzt angeblich wegen der Krise kränklichen Industrien per Geldinfusion das Überleben zu garantieren. (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.11.2008)