Washington - Der US-Autobauer Chrysler steht nach eigenen Angaben vor dem Abgrund, falls er keine staatliche Finanzspritze erhält. Ein neuer Kredit in Höhe von 25 Mrd. Dollar (20 Mrd Euro) sei nötig, "um die Liquiditätskrise zu überleben", sagte Konzernchef Robert Nardelli am Dienstag vor dem Bankenausschuss des US-Senats. "4,5 Millionen Menschen hängen von dieser Industrie ab. Ohne Unterstützung könnten fast drei Millionen von ihnen binnen zwölf Monaten ihren Job verlieren."

Chrysler habe pro Monat zwischen 4 und 5 Mrd. Dollar an Kosten für Löhne und Gehälter, zur Bezahlung der Rechnungen von Zuliefern und anderes. Falls Chrysler Insolvenz beantrage, wären die Kosten für eine Umstrukturierung größer als die Ausgaben, die der Staat für eine Überbrückungshilfe zahlen müsse, sagte Nardelli in einer schriftlichen Erklärung weiter. Und es sei nicht sicher, dass Chrysler nach einer Insolvenz weiterbestehen könne. Die Äußerungen des Konzernchefs geben einen ersten Blick auf die aktuelle Situation bei dem angeschlagenen Autobauer. Neben Nardelli sagten Ford-Chef Alan Mulally und der Vorstandsvorsitzende von General Motors (GM), Rick Wagoner, aus. Die drei Konzerne haben um eine staatliche Hilfe von 25 Mrd. Dollar gebeten.

Mit schneller staatlicher Hilfe kann Chrysler allerdings ebenso wenig rechnen wie seine beiden größeren amerikanischen Konkurrenten, Ford und General Motors. Finanzminister Henry Paulson lehnte es am Dienstag ab, einen Teil des 700-Mrd.-Dollar-Pakets für die Banken an die drei Autobauer abzuzweigen. Auch im Kongress wurden Vorbehalte laut.

Brücken bauen

"Unsere Branche braucht eine Brücke, um den finanziellen Abgrund zu überbrücken, der sich vor uns aufgetan hat", erklärte GM-Vorstandschef Wagoner. Wagoner machte keine eigenen Management-Fehler, sondern die Finanzkrise für die schlechte Lage verantwortlich. Ein Zusammenbruch der Branche würde den Verlust von drei Millionen Arbeitsplätzen bedeuten, warnte der Chef der Opel-Konzernmutter. Das Einkommen der Bevölkerung würde binnen eines Jahres um 150 Mrd. Dollar (119 Mrd Euro) verringert, über drei Jahre drohten Steuerausfälle in etwa derselben Höhe. "Sie können uns helfen, diese Krise zu überwinden. Im Gegenzug erstatten wir das Vertrauen und die Unterstützung der Steuerzahler um ein Vielfaches zurück", sagte Wagoner.

Die Chefs der "Big Three" stießen bei den Senatoren auf Skepsis. Der demokratische Ausschussvorsitzende Christopher Dodd sagte den Manager, ihre Branche suche eine "Behandlung für weitgehend selbst zugefügte Wunden". Der republikanische Senator Mike Enzi kritisierte, die Finanzkrise sei "nicht der einzige Grund, warum die heimische Automobilindustrie in Schwierigkeiten ist". Er nannte ineffiziente Produktionsstrukturen und kostspielige Tarifverträge. "Werden wir hier im Senat darum gebeten, einer stärkeren, wettbewerbsfähigeren Autoindustrie den Weg zu bereiten, oder darum, ein Scheitern am Markt endlos fortzusetzen?", fragte der Republikaner Richard Shelby. "Wir brauchen eine Versicherung, dass sie (die Autobauer) nicht in sechs Monaten zurückkommen und noch mehr verlangen", sagte der demokratische Senator Charles Schumer.

Die Demokraten streben eine Gesetzesvorlage an, wonach die Autohersteller und ihre Zulieferer 25 Mrd. Dollar aus dem 700 Mrd. Dollar Rettungspaket für die Finanzindustrie erhalten sollen. Im Gegenzug sollen den Managern die Bonuszahlungen gestrichen werden. Präsident George W. Bush und die meisten Republikaner lehnen das ab. Sie wollen, dass die Autokonzerne frei über ein bereits bewilligtes Kreditpaket von ebenfalls 25 Mrd. Dollar verfügen können, das eigentlich für die Entwicklung sparsamerer Autos gedacht ist.

Die Autoverkäufe in den USA sind im Oktober auf den tiefsten Stand seit 1991 gestürzt. Ursache sind vor allem die Probleme am Kreditmarkt, wodurch Konsumenten weit schwerer als bisher an Darlehen für einen Autokauf kommen. (APA/AP/dpa)