Umstrittenes "Amtsverständnis": Die Zukunft der Post ist Thema der morgigen Sondersitzung im Parlament.

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Michael Böheim: ein Ordoliberaler als "planwirtschaftlicher Fantast"?

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Der Kommentar von Attac-Mitbegründer Christian Felber ("Die Post ist keine Ware", der Standard , 19. 11.) unterstellt mir einiges, das ich in meiner Kritik an der gegenwärtigen Unternehmensstrategie der Post (Standard , 12. 11.) weder so gemeint noch so geschrieben habe. Es ist mir daher ein Anliegen, einige dieser "Missverständnisse" aufzuklären:

1. Wenn jemand etwas von "planwirtschaftlichen Fantasien" versteht, dann sicher Christian Felber. Insofern war diese Bezeichnung für mich sicher als Kompliment gemeint. Ich fühle mich zwar geehrt, von einem ausgewiesenen Experten in diesem Fach "als Gleicher" anerkannt zu werden, muss dieses "Adelsprädikat" mangels Verdienst aber ablehnen. Mein ökonomisches Weltbild ist geprägt vom Ordoliberalismus, der für eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung eintritt, in der dem Staat die Aufgabe zugewiesen wird, einen Ordnungsrahmen für Sicherheit, Privateigentum, Vertragsfreiheit, freien Wettbewerb und Geldwertstabilität zu gewährleisten. Als Ordoliberaler glaube ich grundsätzlich an das Selbstbestimmungsrecht des Individuums und die Freiheit der/des Einzelnen, Entscheidungen selbst (das heißt ohne Bevormundung) treffen zu können. Zwang, sei er ausgeübt von staatlichen oder privaten "Autoritäten", ist mir naturgemäß suspekt und erscheint mir nur in ganz wenigen Ausnahmefällen - im Sinne der für die Aufrechterhaltung der oben definierten marktwirtschaftlichen Ordnung unabdingbaren Regulierungen - gerechtfertigt. In diesem Licht ist auch mein Kommentar zu lesen.

2. Insofern ist es absurd von Felber zu behaupten, "ich dränge Greißler dazu, Postpartner zu werden" oder ich "zwinge Gemeinden, für ,ihr‘ Postamt zu bezahlen" . Das habe ich weder so geschrieben, noch so gemeint. Hinsichtlich der Gemeinden bin ich aber sehr wohl der Meinung, dass die Kommunen, wenn Sie am anachronistischen ortsfesten Post"amt" - es gibt dafür unzählige Alternativen- festhalten wollen, der Post AG eine entsprechende Defizitabgeltung leisten sollten. Nur wenn es ökonomische Anreize gibt, können effiziente marktwirtschaftliche Lösungen entstehen. Ansonsten würde das Defizit von der Allgemeinheit getragen werden müssen, was wohl nur in der planwirtschaftlichen Fantasiewelt von Christian Felber gerechter wäre.

3. Die EU-weite Liberalisierung der Postdienste war eine politische Entscheidung - genauso wie der Verzicht auf eine strenge Regulierung des Finanzsektors. Letzteres hat sich als eine (von entsprechenden Interessengruppen) forcierte, die Grundpfeiler der Marktwirtschaft erschütternde "fundamentale Fehlentscheidung" erwiesen. Ob die Liberalisierung von Postdienstleistungen auch zu dieser Gruppe gehört, kann jedenfalls empirisch (noch) nicht nachgewiesen werden - die Postliberalisierung tritt in der EU ja erst flächendeckend 2013 in Kraft.
Wie Felber zu argumentieren, dass die "Post ein natürliches Monopol ist", die sich damit von vornherein einer wettbewerblichen Organisation entziehe, übersieht dagegen elementare Eigenschaften von Netzwerkindustrien:
Wie andere Netzwerkindustrien auch (Energie, Telekom, Bahn etc.) bestehen die Postdienste aus zwei Komponenten, dem Netzwerk selbst und den Dienstleistungen, die darin erbracht werden. Nur das Netzwerk ist ein natürliches Monopol und bedarf deshalb der Regulierung, um für alle Marktteilnehmer einen barrierefreien Zugang zu den Netzen als "essential facilities" gewährleisten zu können, wo gegen die Dienstleistungen grundsätzlich auf Basis des freien Wettbewerbs organisierbar sind.

4. Ob sich Dienstleistungswettbewerb in Netzwerkindustrien nachhaltig etablieren kann, hängt entscheidend davon ab, ob die Liberalisierung von entsprechend strenger Wettbewerbs- und Regulierungspolitik begleitet wird. Das ist wiederum eine politische Entscheidung - denn wie das Beispiel der in Österreich mehrheitlich im öffentlichen Eigentum stehenden Energiewirtschaft zeigt, stellt sich funktionierender Wettbewerb in Netzwerkindustrie dann nicht ein, wenn die Politik meint, mit der Liberalisierung käme dieser quasi automatisch. Dann werden nämlich aus vormals staatlichen Monopolen private Quasi-Monopolisten, die sich von beiden Welten die "Rosinen" herauspicken: in Form marktwirtschaftlicher Gewinne ohne Risiko durch Marktabschottung unter Duldung der Politik.

5. Woraus Felber abliest, dass ich "demokratische Initiativen gar nicht erst aufkeimen lassen will" , weiß wohl nur er selbst. Ganz im Gegenteil erachte ich solche Initiativen - Stichwort "Sacramento-Projekt" - als "Kontrapunkt" für sehr begrüßenswert, bin aber der Meinung, dass sie im vorliegenden Fall zu keiner Änderung führen werden.

Als Pragmatiker verwende ich meine Zeit lieber dafür, darüber nachzudenken, wie aus dem Status quo das Beste gemacht werden kann. Die "Weltverbesserung" überlasse ich den "planwirtschaftlichen Fantasten" - gut, dass es auch die gibt! (DER STANDARD, Printausgabe, 24.11.2008)