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Paul Rusesabagina

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Bewohner der Stadt Rutshuru im Ostkongo beobachten eine Kundgebung von Rebellenchef Laurent Nkunda. Der Ruandese Rusesabagina sieht die Gründe für den blutigen Konflikt in den Bodenschätzen der Region.

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Die Auslieferung der Diplomatin Kabuye an Paris sei ein Schritt zur Gerechtigkeit, sagte er zu Julia Raabe.

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STANDARD: Die Spitzendiplomatin Rose Kabuye muss sich in Frankreich vor Gericht verantworten. Ist das Teil des Streits zwischen Kigali und Paris oder legitime juristische Aufarbeitung?

Rusesabagina: Die Auslieferung Kabuyes ist der erste Schritt zu Gerechtigkeit in Ruanda. Der Völkermord hat im Kontext eines Bürgerkriegs stattgefunden, bei dem Hutus und Tutsis um Macht kämpften. Der Krieg fing 1990 an, und die Tutsi-Rebellen haben Zivilisten getötet. Das ist nie aufgearbeitet worden. Die Hutu-Seite, die den Genozid verübt hat, steht in Arusha, Tansania, und auch in Ruanda vor Gericht. So lange es Leute gibt, die sich nicht verantworten müssen, die aber Straftaten begangen haben sollen, kann man keine Nation versöhnen.

STANDARD: Dem französischen Richter Bruguiére wird vorgeworfen, für seine Ermittlungen nicht nach Ruanda gefahren zu sein.

Rusesabagina: Man kann nicht einfach nach Ruanda fahren und mit Leuten sprechen. Ruanda ist eine Diktatur mit einer Miliz, die Local Defence Forces (LDF) heißt und alles kontrolliert. Sie wissen, was du isst, mit wem du gesprochen hast. Ruanda hat 20.000 demobilisierte Soldaten, die für diese Miliz der Regierung arbeiten. Also haben die Ermittler Leute aus Ruanda ins Ausland gebracht und interviewt.

STANDARD: Was erhoffen Sie sich von dem Verfahren?

Rusesabagina: Wenn man eine Nation zusammenführen will, muss man alle an einen Tisch bringen. Gerechtigkeit muss fair sein. Alle mutmaßlichen Mörder, inklusive Kabuye, müssen vor Gericht Rechenschaft ablegen. Wenn Franzosen Fehler in Ruanda gemacht haben, sollten auch sie sich dafür verantworten. Für mich ist die Lösung: Straflosigkeit beenden und Gerechtigkeit schaffen.

STANDARD: Die Situation im Kongo geht zum Teil auf das zurück, was in Ruanda passiert ist.

Rusesabagina: Nein, der Konflikt im Kongo hat sich verändert. Ich würde nicht all die Kids verurteilen, die dort sind (und kämpfen, Anm.). Die sind jetzt 20 und waren beim Genozid sechs. Wie hat die jetzige Invasion angefangen? Es ging von Ruanda aus, (Rebellenchef) Nkunda ist ein ruandesischer General, an seiner Seite kämpfen Ruandas Soldaten. Das Problem ist das, was ich Blutdiamanten nenne. Ruanda exportiert Coltan, was wir nicht produzieren. Gleiches gilt für Kobalt, Diamanten, Gold. Das produziert der Kongo. Ruanda beutet die Minen aus. Das Problem kann nur durch Dialog gelöst werden.

STANDARD: Was heißt das konkret? Die UNO bemüht sich z.B. darum.

Rusesabagina: Leider habe ich das Vertrauen in die UNO verloren. Sie sind (während des Genozids 1994) abgezogen. Wie kann ich den Vereinten Nationen noch vertrauen? Heute haben sie 17.000 Soldaten im Kongo - und die können 6000 Rebellen nicht stoppen? Wenn das Problem Ruandas gelöst ist, ist das Problem der ganzen Region gelöst. Länder wie die USA und auch die EU müssen Hutus und Tutsis an einen Tisch bringen. Sie müssen darüber sprechen, warum sie sich immer wieder bekämpften. Wir neigen dazu, die Kolonialisierung für alles verantwortlich zu machen. Aber davor schon waren Hutus die Sklaven der Tutsis. Versöhnung in Ruanda hat noch gar nicht begonnen. Sie wird erst beginnen, wenn es gleiches Recht für alle gibt.

STANDARD: Ihre Stiftung setzt sich für Versöhnung in Ruanda ein. Warum leben Sie dann in Belgien?

Rusesabagina: Im September 1996 wäre ich fast ermordet worden, dann bin ich ins Exil gegangen. Mein Wunsch ist, Frieden zu schaffen und zurückzugehen. Deshalb kämpfe ich für Frieden.  (DER STANDARD, Printausgabe, 25.11.2008)