Während die Nation die Besetzungsliste der künftigen Bundesregierung - zum Unterschied von der Ressortaufteilung - größtenteils mit einer an Gleichgültigkeit grenzenden Begeisterung aufnahm, kam es diese Woche ausgerechnet um die parteifreie Justizministerin zu einer erbitterten Grundsatzauseinandersetzung ihrer edelsten Geister: Michael Jeannée gegen Andreas Unterberger, "Kronen Zeitung" gegen "Wiener Zeitung" - das ist Brutalität!

Nun haben Sie, so Jeannée am Donnerstag an Unterberger, aus welchen Gründen auch immer - die journalistische Contenance verloren und sich die neu bestellte Justizministerin Claudia Bandion-Ortner auf eine Art und Weise zur eingefallenen Brust genommen, wie 's untergriffiger und bösartiger nicht geht. Und daher ist es mir einfach ein Bedürfnis, Ihnen eine überzubraten.

Als Überbrater und Jäger der verlorenen journalistischen Contenance läuft Jeannée gewöhnlich zur Höchstform auf, wenn es gilt, die Ehre einer Dame zu verteidigen, es sei denn, es handelt sich um eine, die seinen legendären Herausgeber durch Widerspruch reizt, aber so eine ist ja keine Dame, sondern höchstens Außenministerin. Denn nicht nur unterstellen Sie der verdienten BAWAG-Richterin süffisant, hinterfotzig und "italienische Verhältnisse" beschwörend, sie habe im Verfahren gegen Helmut Elsner wahrscheinlich nur deshalb "ordentlich auf hart" gemacht, um damit ihre politische Karriere vorzubereiten, sondern sprechen der hochqualifizierten Volljuristin auch "Eigengewicht" und "justizpolitische Sachkenntnis" ab und nennen sie expressis verbis eine "glamourbehaftete Nullgrupplerin".

So weit Jeannée, und er schloss mit einem Fluch gegen den Hinterfotzigen mit der eingefallenen Brust. Herr Unter(ster)berger: Die Schublade, in die Sie sich da vergriffen haben, ist seit Langem die unterste, die mir untergekommen ist. Hoffentlich fällt sie Ihnen "ordentlich hart" auf die Füße.

Fairerweise muss man sagen, dass Herrn Unterberger nicht nur die Brust ein-, sondern seit Wolfgang Schüssels Abgang auch die Sonne vom Himmel gefallen ist, was ihn gelegentlich - und jeder Tag ist eine neue Gelegenheit - die journalistische Contenance verlieren lässt. Ja, er hat Michael Jeannée regelrecht provoziert, bis dieser dem Niagara seines Esprits keinen Einhalt mehr gebieten konnte und sich gegen den Herrn Unter(ster)berger zur Wehr setzen musste.

Dessen "glamourbehaftete Nullgrupplerin" war nur teilweise der Anlass dafür, seinem Zwang zum Überbraten nicht anders als nachgeben zu können. Unterberger hatte sich nicht nur, wie zitiert, in die unterste Schublade verirrt, was ja öfter vorkommt - schon am Dienstag hatte er unter dem Titel Das Krone-Team gestichelt: Wir bekommen eine Regierung ganz nach Geschmack der "Krone", wobei er durchblicken ließ, dass es sich dabei nicht um den allerfeinsten handelt. Zwei Tage später stieg er noch eine Schublade tiefer, was nur ihm möglich ist, indem er den Wiedereintritt der Vernunft in die SPÖ von einer biologischen Ablöse an der Spitze der "Kronenzeitung" abhängig machte. Dieser nekrophilen Hoffnung verlieh er eine welthistorische Perspektive mit dem Satz: Ursula Plassnik war das Objekt einer der miesesten Kampagnen der Mediengeschichte.

Das alles hätte Jeannée im beruhigenden Bewusstsein des Heimvorteils, den das selbsternannte Zentralorgan der Republik Österreich gegenüber dem offiziellen hat, vielleicht noch ertragen, hätte Unterberger bei der Ablage seiner journalistischen Contenance in der untersten Schublade dem Überbrater wenigstens die Chance gegeben, einen Tag früher dortselbst zu landen.

So hatte Jeannée keinen Vorsprung, als er Mittwoch der Lieben Claudia das politische Gütesiegel der "Krone" aufdrückte: Sie sei eine hochintelligente Juristin und Mutter, die im wohl kompliziertesten Kriminal- und Wirtschaftsprozess der Nachkriegszeit als vorsitzende Frau Rat so kompetent (und nicht gnadenlos) ihren Mann gestanden hat, dass den Herren der Schöpfung vor ihrem Richtertisch inklusive Helmut Elsner die Ohren schlackerten.

Aber viel wichtiger: Außerdem sind sie eine Eva, die ihrem Wesen nach des Lebens heitre Seite liebt, ohne deshalb ein "bunter Vogel" zu sein. Und was Ihre vielen Brillen anbelangt: Wahrscheinlich brauchen Sie sie. Daher ist Jeannée felsenfest davon überzeugt, dass mit Ihnen quasi ein Lottosechser in das schwierige Ressort Justiz einzieht.

Man muss schon über eine eingefallene Brust verfügen, wenn einem das nicht eingefallen ist.(Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 29./30.11.2008)