Wäre für die AUA ein asiatischer Partner besser gewesen? Das sind emotionale Ansichten, sagt Mario Rehulka: "Erst einmal bin ich froh, dass es mit der Lufthansa überhaupt einen Investor gibt."

Foto: derStandard.at/Putschögl

Die Unkenrufe, die Lufthansa wolle die AUA "ausnehmen" kann Rehulka nicht nachvollziehen: "Die Leute, die das beurteilen, haben größtenteils keinen Einblick in das Management einer weltweit tätigen Luftlinie."

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Zum AUA-Management ist Mario Rehulka keine Aussage zu entlocken: "Ein Grundsatz von mir."

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Am Freitag präsentierte AUA-Chef Alfred Ötsch den finanziellen Zustand der AUA, der sich ungefähr so liest: Rückgang der Verkehrszahlen im Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise, der die Liquidität des Unternehmens so beeinträchtigt, dass man mit der geplanten Staatshilfe nicht mehr auf den Vertragsabschluss und die Genehmigung der Übernahme durch die Lufthansa warten kann. Letztere werde erst nach einer vertieften Prüfung der EU-Kommission erfolgen, die vier bis sechs Monate in Anspruch nehmen dürfte. Dazu kommen Abschreibungen auf die Flotte, die am Eigenkapital zehren. Die ÖIAG wird jedenfalls einen Teil der für Frühjahr geplanten Kapitalerhöhung von 500 Millionen Euro noch heuer vorwegnehmen müssen.

Warum die Airline dennoch für die Lufthansa ein Gewinn ist - so die Übernahme zustande kommt -, was die Politik gut und weniger gut gemacht hat und wieso man sich über einen Investor freuen kann, auch wenn es der einzige ist, erklärt Luftfahrtverbands-Präsident und Ex-AUA-Vorstandsdirektor Mario Rehulka im Gespräch mit Regina Bruckner und Martin Putschögl, das am Mittwoch vergangener Woche stattfand.

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derStandard.at: Die wirtschaftliche Entwicklung ist nicht sehr rosig, die Airline-Branche hat mit einigen dramatischen Entwicklungen zu kämpfen. Wie geht es weiter?

Mario Rehulka: In den letzten Jahren gab es sehr viele Einbrüche. Der schwerste war sicher 9/11, dann kam SARS im Fernen Osten dazu. In vielen Bereichen gibt es laufend geopolitische Einflüsse, Terror, differente Wirtschaftsentwicklung. Das Umfeld wird sich nach diesem Tal, das wir jetzt durchwandern, wieder verändern. Nach 9/11 ist die Erholung im dritten Jahr gekommen. Jetzt wird es vielleicht ein Jahr länger dauern.

derStandard.at: Entspannung gibt es zumindest an der Ölpreisfront. Wie wichtig ist das für die Branche?

Rehulka: Das ist sehr wichtig. Man hat das im Sommer gemerkt, wo der Ölpreis auf mehr als das Doppelte des jetzigen Niveaus gestiegen ist. Damit hatte niemand gerechnet. Wir werden auch in Hinkunft solche Phasen erleben. Es gibt Versuche mit Gas-to-liquid und Bio-to-liquid, aber auf Erdöl kann man im Augenblick als Kraftstoff nicht verzichten. Die Erhöhung um nur einen Dollar kostet die weltweite Branche laut IATA (internationale Flug-Transport-Vereinigung, Anm.) 1,6 Milliarden Dollar.

derStandard.at: Braucht die Luftfahrtindustrie ein vergleichbares Rettungspaket wie die Automobilbranche?

Rehulka: Der freie, liberale Luftverkehr zahlt alle seine Wegekosten selbst - das heißt, er kriegt vom Staat keine Subventionen. Daher kümmern sich die Regierungen nicht um den Flugverkehr. Die Politik soll vernünftige Rahmenbedingungen schaffen, die die Sicherheit für die Konsumenten und für die Fluglinien garantieren, und im Endeffekt die Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb schaffen. Mehr will man gar nicht.

derStandard.at: Ist nicht ein Problem auch die fehlende Kostenwahrheit im Flugverkehr? Die Billigflieger unterbieten die großen Carrier mit ihren Kampftarifen...

Rehulka: Nein, das ist ein Blödsinn. Im Endeffekt herrscht beim Flugverkehr die größte Kostenwahrheit. Das sind privat geführte Unternehmen, und die echte Kostenwahrheit wird in jeder Bilanz abgebildet.

derStandard.at: Die Kostenwahrheit war jetzt auch auf die Tarife bezogen...

Rehulka: Das ist überall so im freien Wettbewerb. Haben Sie im Mediamarkt schon einmal Einblick bekommen, warum der ein Gerät billig verkauft? 1993 hat endlich auch in Europa die Liberalisierung begonnen, seit damals sind Preise und Kapazitäten nicht mehr reguliert. Zwischen Österreich und Frankreich durften früher etwa nur eine österreichische und eine französische Fluglinie mit der gleichen Anzahl von Sitzen fliegen. Wir haben einmal ein neues Flugzeug gekauft und mussten deshalb 30 Sitze unverkauft leer lassen. Die Fluglinie war zufrieden im regulierten Markt, aber der Konsument hatte keine Auswahl.

derStandard.at: Jetzt haben wir einen offenen Markt...

Rehulka: Natürlich stieg damit auch der Kostendruck auf die Fluglinien. Wenn ich im Wettbewerb stehe, muss ich eben Aktionen setzen. Das fängt bei 99 Euro an - von den 29 will ich gar nicht reden.

derStandard.at: Womit wir bei den Billigfliegern wären. Funktioniert deren Modell noch?

Rehulka: Der Netzwerk-Carrier versucht, den Heimatmarkt ordentlich zu bedienen, und bietet viele Flüge an, je nachdem, was für die Wirtschaft, für den Tourismus wichtig ist. Wenn ich dieses Netzwerk verstärken will, schaffe ich Allianzen, damit ich nicht überall selbst hinfliegen muss.
Ein Low-Cost-Carrier baut seine Strecken ohne dieses Drehscheiben-System auf. Er geht zu Nebenflughäfen, weil sie billiger sind, er fliegt nur einen Flugzeugtyp, damit hat er vereinfachte Wartung, es gibt fast kein Service wie Zeitungen, damit fällt die Reinigung weg. Der Low-Cost-Carrier reduziert die Kosten gegenüber einem Netzwerkcarrier um bis zu 50 Prozent. Er fliegt nur bestimmte Strecken und braucht dazu einen großen Quellmarkt, ohne den funktioniert es nicht. Nicht umsonst hat eine irische Airline wie Ryanair in London zu fliegen begonnen. Die großen Märkte in Europa sind England, Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien. Wenn Sie diese nicht bedienen, dann haben Sie - besonders in dieser wirtschaftlichen Situation - Probleme.

derStandard.at: Hätte etwa SkyEurope mit dem Osten nicht einen ausreichend großen Markt?

Rehulka: Nein. Passagiere kommen aus einem Standort mit Potenzial. Sie brauchen diese starken Quellmärkte, damit ihre Flugzeuge gefüllt werden. Low-Cost-Carrier legen ihre Kostenreduktion auf den Flugpreis über. Damit sie aber - und das waren die Berechnungen bis zum Sommer - ihre Kosten decken können, brauchen sie in Europa im Durchschnitt eine Jahresauslastung von 85 Prozent und pro Strecke müssen sie durchschnittlich 85 Euro einnehmen. Wenn Ihnen also jemand sagt, das Ticket kostete 29 Euro - dann sitzt daneben einer, der 185 Euro bezahlt hat. Das finde ich in der AUA-Werbung sehr gut, wenn da steht: "Bei Billigfliegern fehlt die Hälfte." Meist ist der Rückflug sehr teuer.

derStandard.at: Nach Ihrer Beschreibung des Billigfliegerprinzips steuern SkyEurope dann Glücksritter.

Rehulka: Warten wir noch ein bisschen mit solchen Aussagen. Es wird sich alles in den nächsten drei Wochen herausstellen.

derStandard.at: Es gibt die Meinung, dass sich die Zukunft des Flugverkehrs in Asien abspielt, und für die AUA deshalb ein asiatischer Partner besser gewesen wäre, wie zum Beispiel die Air China.

Rehulka: Das sind emotionale Ansichten. Es gibt auch welche, die sagen, die S7 wäre ideal. Erst einmal bin ich froh, dass es mit der Lufthansa überhaupt einen Investor gibt. Die Situation der AUA ist eigentlich dadurch verschärft worden, dass sie einen zu kleinen Heimatmarkt hat - aber hohe Qualität anbietet. Alle IATA-Fluglinien - also auch die AUA - haben nach 9/11 ihre eigenen Kosten um 18 Prozent gesenkt. Jetzt kommen sie an Grenzen, die durch das Umfeld entstanden sind: Hoher Treibstoffpreis und wirtschaftliche Rezession. Die AUA kann die Kosten kaum mehr reduzieren, weil ihr die Größeneffekte fehlen. Der Investor, der jetzt kommt, wird verschiedene Vorteile bringen. Flugzeuge können billiger eingekauft werden, ebenso der Treibstoff sowie die Treibstoffabsicherung. Dann kommt noch etwas dazu, was Politiker nie verstehen, weil sie nicht über den eigenen Tellerrand hinausschauen: Die Luftfahrtbranche ist ein internationales Business. Die AUA hatte nie den starken Zugriff im Verkauf bei internationalen Firmen, wie sie ihn jetzt haben wird. Im Vertrieb verkauft das die Lufthansa jetzt bei globalen Firmen mit. Davon werden der Flughafen, die AUA und der ganze Wirtschaftsstandort profitieren.

derStandard.at: Das hätten die anderen Anbieter - neben der Lufthansa - auch gekonnt.

Rehulka: Netzwerke müssen sich ergänzen. Es ist keine Frage, dass zum Beispiel für den Incoming Tourismus eine weltbekannte Fluglinie wie die Lufthansa Österreich auf allen Kontinenten einfacher mitverkaufen kann, als vielleicht eine Air China - die gar nicht nach Österreich fliegt, sondern dort in Fernost ein dichtes Netz hat. Eine S7 hätte niemals diese Größeneffekte erzielt, und wäre außerdem im gemeinsamen Vertrieb auf die AUA angewiesen, anstatt umgekehrt.

derStandard.at: Air France hätte nichts zu bieten gehabt?

Rehulka: Jean-Cyril Spinetta (Air France/KLM-Chef, Anm.) ist ein exzellenter Manager. Die erste Schwierigkeit ist aber, dass er gar kein Offert abgegeben hat. Wenn mich die Marilyn Monroe geküsst hätte, wäre ich jetzt ein bekannter Mann. Sie hat mich aber nicht geküsst. Da er kein Offert abgegeben hat, gibt's keine Diskussion. Punkt. Außerdem zur Netzwerkergänzung: In der Star Alliance hat die AUA im Fernen Osten die Ergänzung der All Nippon Airways, der Thai Airways, der Singapore Airlines und Air China. Die Air France hatte im Jahr 2000, als bei uns die Entscheidung über ein Bündnis zur Debatte stand, nur die Korean Airlines als Partner. Jetzt haben sie die China Southern dazubekommen, also nur zwei Fluglinien im Zukunftsmarkt Fernost.

Nebenbei wären die Umstiegskosten von der Star Alliance sehr hoch gewesen. Die publizierten 100 Millionen Euro sind noch das Geringste. Das Reservierungssystem müsste transferiert werden, daran hängen die Abfertigungssysteme, Sitzplatz-, Ticketing-, Ertrags- und Gepäcksysteme. Ebenso das Kundenbindungsprogramm Miles & More. Der Wechsel dauert von der StarAlliance zu einer anderen Allianz mindestens ein Jahr. In diesem Jahr kriegen Sie keine Buchung von den alten StarAlliance-Partnern mehr und mit den neuen Partnern besteht noch kein Kundenbindungsprogramm. Die Verluste würden in diesem Übergangsjahr meiner Schätzung nach bei weiteren 300 Millionen Euro liegen. Die Situation für die AUA wäre fürchterlich.

derStandard.at: Die Lufthansa ist für Sie also der ideale Partner und Sie können die Unkenrufe, wonach die Lufthansa die AUA "ausnehmen" will, nicht nachvollziehen?

Rehulka: Die Leute, die das beurteilen, haben größtenteils keinen Einblick in das Management einer weltweit tätigen Luftlinie. Wolfgang Mayrhuber (Lufthansa-Chef, Anm.) hat ganz klar gesagt: Er kauft keine Fluglinie, sondern einen Markt. Mayrhuber nutzt alle Vorteile, die es mit dieser Austrian Airlines gibt: Vorteile im Streckennetz - denn die Expertise der AUA liegt unbestritten im Osten -, hohe Qualität und höhere Produktivität der Mitarbeiter. Das kauft er mit ein und wird es nützen.

derStandard.at: Die AUA wäre demnach für die Lufthansa ein Gewinn?

Rehulka: Ja, ein Investor wie die Lufthansa will den Return-on-Investment. Die AUA als Spezialist, die dann der Lufthansa gehört, wird sich weiterentwickeln, und damit im Endeffekt auch der Wirtschaftsstandort Österreich. Ich bin voll davon überzeugt. Für mich sind natürlich auch einige Ergebnisse in den letzten Jahren etwas überraschend gewesen. Aber ich sehe das Potenzial dieser Fluglinie eigentlich so gut, da ja jetzt jemand ein Angebot für diese Firma abgegeben hat.

derStandard.at: Aber eben nur einer...

Rehulka: Einer genügt doch, besser als keiner. Es entsteht manchmal der Eindruck, die AUA würde aus rein karitativen Gründen durch jemanden gekauft. Der Investor ist aber nicht die Caritas. Er kauft eine Firma, er kauft einen Markt. Er wollte natürlich wenig zahlen - das machen wir ja genauso, wenn wir zum Mediamarkt gehen - wir wollen wenig zahlen.

derStandard.at: Waren die Erwartungen zu hoch geschraubt? AUA-Chef Alfred Ötsch hat im Frühjahr gesagt, die AUA sei saniert, im Sommer hat es geheißen, es gibt viele Interessenten...

Rehulka: Man verwechselt immer die AUA mit dem Greißler um die Ecke. Das ist ein internationales Unternehmen, das vielen globalen Änderungen unterliegt, und dieses wurde jetzt gehandelt. Es ist eine ganz wichtige Entscheidung für die 8.000 Mitarbeiter, dass es diese AUA weiterhin gibt - auch wenn der Eigentümer ein anderer ist. Da gibt es das schöne Beispiel im Nachbarland mit der Swiss. Es ist wichtig für den Flughafen Wien, und es ist wichtig für die Wirtschaft und den Tourismus, dass das Land durch eine österreichische Fluglinie bedient wird. Das wird gegeben sein, und deshalb sind die Aussichten für die Zukunft positiv.

derStandard.at: Wie sehen Sie denn generell die Unterstützung der Politik für die österreichische Luftfahrtbranche?

Rehulka: Ich erwarte mir von einer Bundesregierung, dass sie aus Eigentümerschaften bei Verkehrsunternehmen, die operativ tätig sind, aussteigt. Für den Luftverkehr gesprochen, finde ich zum ersten Mal Lob für eine Bundesregierung, dass sie überhaupt den Entschluss zur Privatisierung getroffen hat. Ich finde es auch sehr gut, dass innerhalb von zwei Tagen der Beschluss zur Übernahme von 500 Millionen Euro an Schulden gefasst wurde, damit diese Privatisierung fortgesetzt werden kann - sonst hätte es den Steuerzahler noch viel mehr gekostet.

derStandard.at: Mit dem Privatisierungsprozess sind Sie auch zufrieden?

Rehulka: Es gab schon früher genug Konzepte, die eine strategische Partnerschaft empfohlen haben, aber schubladisiert wurden. Ich brauche das gar nicht weiter auszuführen, was da meine Gedanken dazu sind. (derStandard.at, 1.12.2008)