Die Hängebrücke "Nový Most" in Bratislava dient Isa Rosenberger als Ausgangs-punkt für Ost-West-Reflexionen.

Videostill: Isa Rosenberger

Wien - "In Warschau habe ich dieses Denkmal - die Warschauer Nike - beim Spazierengehen entdeckt. Es hat mich nicht mehr losgelassen", erklärt Isa Rosenberger, wie die Fotoserie zur flügellosen Siegesgöttin entstand. Das wiederaufgestellte Monument des kommunistischen Regimes steht für den Sieg Polens über die Deutschen im Zweiten Weltkrieg: Mit letzter Kraft hebt die auf dem Boden liegende Nike ihr Schwert. Dreidimensionalität erhalten Rosenbergers Fotos durch Zitate von Passanten, die verdeutlichen, wie emotional besetzt die Skulptur nach wie vor ist.

Die Nike dient der 1969 in Salzburg geborenen Künstlerin ebenso wie andere Bauwerke als Angelpunkt für sich Wandelndes, als eine Art immobiler Spiegel für gesellschaftliche, politische, kulturelle Veränderungen. Isa Rosenberger erhält heute, Dienstag, den Monsignore Otto Mauer Preis für bildende Kunst; im Fokus ihrer Foto- und Videoarbeiten stehen die postsozialistischen Länder und da insbesondere die Frauen. Deren Erfahrungen und Eindrücke bauen nicht nur Nähe auf und Vorurteile ab, sondern helfen mit, "alternative Bilder" der Wirklichkeit, jenseits der offiziellen Geschichtsschreibung, zu entwerfen.

Nicht immer gehe ihren Arbeiten eine einschneidende Begegnung mit Architektur oder einem Denkmal voraus, relativiert Rosenberger. Die von ihr ausgewählten Orte üben aber alle "eine skeptische Faszination" auf sie aus, so wie Nový Most, die "Neue Brücke" in Bratislava, die in ihrer bislang jüngsten Videoarbeit die Hauptrolle spielt: "Ich hatte schon länger im Kopf, etwas vor der eigenen Haustür zu machen; etwas zu der immer noch existierenden mentalen Grenze, der geografischen Nähe und dem umgekehrten Blick: Wie schaut der Blick aus dem Osten zu uns herüber aus?"

Für das zwiespältige Moment von Nähe und Ferne ist die zwischen 1967 und 1972 errichtete Schrägseilbrücke - übrigens eine der größten Hängebrücken der Welt - ein perfekter Schauplatz: Zwar ist vom 80 Meter hohen, futuristischen, weil ufoförmigen, Panoramacafé der Blick weit in den Westen möglich, die Kommunisten wollten aber die Aussicht auf das kapitalistische Österreich am liebsten verbieten. Obendrein erinnert das Bauwerk auch daran, dass dem Bau der Brücke und der darüber führenden Stadtautobahn fast das ganze jüdische Viertel in der Altstadt geopfert wurde.

Vorurteile aus dem Westen

Mit Respekt, aber auch Humor nähere sich Rosenberger ihren Fragen an, betont die Jury. Im Gespräch mit Frauen aus drei Generationen - Großmutter, Mutter und Tochter Dinková - thematisiert Rosenberger die unterschiedlichen Blicke auf und Vorstellungen vom "Westen". Insbesondere Mutter Judita bringt die stark voneinander abweichenden Vorstellungen auf den Punkt: Weil sie österreichisches Fernsehen empfangen konnte, haben sich ihre Bilder vom Land jenseits der Grenze nach der Wende bestätigt; andererseits kämpft sie heute noch mit den Vorurteilen und Vorbehalten ihrer österreichischen Arbeitskollegen: "Die waren beispielsweise noch überhaupt nicht in Bratislava; sie wundern sich, dass es so nah ist."

Selbst wenn Rosenbergers Arbeiten oft stark dokumentarisch wirken, bevorzugt sie die - in Bezug auf das Publikum oft auch kleineren - Räume der Kunst. Es ist "spannender, die physischen Räume miteinzubeziehen".

Der Otto Mauer Preis wird seit 1981 an österreichische Künstler unter 40 Jahren verliehen. Die mit 11.000 Euro dotierte Auszeichnung zählt zu den bedeutendsten österreichischen Kunstpreisen. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 02.12.2008)