Ohne jede Zier, aber kameraüberwacht: Vom Bundeskanzleramt bis zur Hofburg schlängelt sich ein Gang, der nicht nur Amtswegen dient. Im Jahr 2000 schritt hier ein Regierungsteam zu seiner Angelobung.

Foto: Standard/Cremer

Die unterirdischen Wege am Ballhausplatz: Wenn es draußen stürmt und schneit, gibt es einen willkommenen Schleichweg in die Kantine.

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Wien - Wenn das Kabinett von Werner Faymann (SPÖ) heute, Dienstag, angelobt wird, dann folgt das einem eher unspektakulären Prozedere: Kurz vor halb zehn Uhr marschieren die Minister der großen Koalition vom Bundeskanzleramt über den Ballhausplatz zur Hofburg. Dort erfolgt um 9.30 Uhr die Angelobung, dann geht es retour ins Bundeskanzleramt, wo der konstituierende rot-schwarze Ministerrat stattfindet.

Vor gut acht Jahren war das etwas anders. Da trat eine schwarz-blaue Mannschaft mit Wolfgang Schüssel (ÖVP) an der Spitze den kurzen Weg in die Hofburg an. Aufgrund massiver Proteste auf dem Ballhausplatz musste die angehende Regierung allerdings einen unterirdischen Gang beschreiten, der Teil eines weitverzweigten Verbindungsnetzes zwischen den Regierungsgebäuden in der Wiener Innenstadt ist. "Schüssel-Allee" wird der Gang seit jenem 4. Februar 2000 scherzhaft genannt.

Unterirdisch staubig

"Der Teil unter der Hofburg war noch gar nicht richtig ausgebaut", erinnert sich Alfred Finz, damals ÖVP-Staatssekretär für Finanzen, "es waren teils Bretter gelegt, es staubte recht". Für festliche Bekleidung "waren das keine guten Bedingungen". Nicht nur der Gang ist ihm in Erinnerung geblieben. Oben nämlich wartete Bundespräsident Thomas Klestil. "Zuerst der Gang und dann die ernste, steife Miene des Präsidenten dazu", erinnert sich Finz im Gespräch mit dem Standard. Noch immer empfindet er die Großdemo vor der Präsidentschaftskanzlei, "die eine Regierung unter die Erde zwingt", als "undemokratischen Akt".

Herbert Scheibner, damals als Verteidigungsminister für die FPÖ dabei, meint, die Sicherheitsbehörden seien "sehr nervös gewesen. Ich wäre auch oberirdisch gegangen." Die Entscheidung, den Tunnel zu nutzen, sei "kurzfristig gefallen". Scheibner: "Es war für uns alle eine große Aufregung, nach Jahren der Opposition in eine Regierung zu kommen." Einen Seitenhieb auf die heute anzugelobende rot-schwarze Regierung kann sich der nunmehrige interimistische BZÖ-Chef nicht verkneifen: "In Wahrheit ist es nicht wichtig, wo man geht, sondern wie gearbeitet wird. Und sieht man sich das Arbeitsprogramm dieser Regierung an, dann sollte sie besser unterirdisch gehen."

Runderneuerter Geheimgang

Seit 2000 Scheibner und Co den Gang durchwandelten, hat sich in der "Schüssel-Allee" einiges verändert: Eine Restaurierung brachte braunen Boden, weiße Wände und helles Licht. Öffentlich zugänglich sind die Gänge nicht, dafür videoüberwacht. Bei der Burghauptmannschaft, die für den geheimnisvollen Trakt zuständig ist, hält man sich mit Informationen dazu bedeckt. Dementsprechend lange musste sich Standard-Fotograf Matthias Cremer gedulden, um den Gang besichtigen und ablichten zu dürfen.

Cremer staunte nicht schlecht, als er unter dem Ballhausplatz Beamte des Bundeskanzleramtes antraf: Besonders im Winter beschreiten viele fast täglich den unterirdischen Weg, vornehmlich um die Mittagszeit. Denn er mündet direkt in den Amalientrakt in der Hofburg, wo sich die Kantine des Kanzleramts befindet. (Andrea Heigl, Peter Mayr/DER STANDARD Printausgabe, 2. Dezember 2008)