Wien - Globalisierung ist für die Automobilindustrie ein langfristiger Megatrend, der durch die derzeitige konjunkturelle Krise nicht abgeschwächt wird. Europäische Automobilzulieferer hätten einen unterproportionalen Anteil am Wachstum in Schwellenländern und müssten ihre Strategien noch deutlich offensiver auf den globalen Wettbewerb ausrichten, um ihre Überlebensfähigkeit zu sichern, heißt es in einer Automobilstudie des Managementberatungsunternehmens Oliver Wyman (München).

Das Wachstum der Unternehmen werde sich in Richtung Schwellenländer verlagern. Derzeit hängen die europäischen Zulieferer noch immer stark von ihren Heimatmärkten ab. Für die europäischen Zulieferer sei die Globalisierung eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben. Im Vordergrund stehe die Verteidigung gegen Billiglohnkonkurrenz. Der Wettbewerb aus neuen Märkten verschärft sich.

Große Automobilhersteller fahren ihren Produktionsanteil außerhalb des Heimatmarkts bereits seit vielen Jahren kontinuierlich nach oben. Stellte beispielsweise Volkswagen im Jahr 2000 noch 59 Prozent seiner Fahrzeuge in Westeuropa her, so werden es 2015 nur noch 38 Prozent sein. Bei Toyota sinkt die Quote von 66 Prozent in Japan hergestellter Autos im Jahr 2000 auf nur noch 36 Prozent in 2015. Diese Entwicklung betrifft nicht nur die Hersteller. Die gesamte automobile Wertschöpfungskette wächst in den Schwellenländern Asiens, Osteuropas und Südamerikas mit durchschnittlich 5 Prozent jährlich, während das Wachstum in den Ländern der Triade unter 2 Prozent bleibt.

Unterproportionaler Wachstumsanteil

Bisher haben die europäischen Automobilzulieferer jedoch nur einen unterproportionalen Anteil am Wachstum in Schwellenländern. Im wichtigsten Wachstumsmarkt Asien realisieren die Top-Zulieferer lediglich elf Prozent ihrer weltweiten Umsätze. Ihre nordamerikanischen Konkurrenten verzeichnen einen Umsatzanteil von 13 Prozent. "Nur wenige europäische Unternehmen sind heute wirklich global aufgestellt", sagte Lars Stolz, Partner und Automobilexperte bei Oliver Wyman. "Obwohl fast alle größeren Zulieferer inzwischen auf drei Kontinenten vertreten sind, erzielen sie noch immer mehr als zwei Drittel ihres Umsatzes in Europa - und auch bei ihren Kunden haben europäische Automarken den größten Anteil."

Gerade Mittelständer zeigen sich besorgt über die hohen Risiken einer Internationalisierung und befürchten eine Überbeanspruchung der vorhandenen Managementkapazitäten, geht aus einer Wyman-Umfrage hervor. Viele konzentrierten sich daher auf Europa und wollten erst reagieren, wenn weiterer Druck vonseiten der Automobilhersteller kommt. "Den meisten kleineren Zulieferern fehlt eine systematische Strategie für den Umgang mit dem Phänomen der Globalisierung und den damit verbundenen Risiken und Chancen", so Stolz.

Für die Mehrheit der befragten Manager stellt die weitere Globalisierung, die "Risiko und Chance zugleich" ist, eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben für ihr Unternehmen dar. Einerseits bedrohen Billigkonkurrenten aus den Schwellenländern die heimischen Märkte in den Industrieländern. Andererseits bieten diese Regionen die Möglichkeit zu weiterem Marktwachstum, während die Märkte in Europa, Nordamerika und Japan stagnieren. Die Finanz- und Konjunkturkrise werde die Globalisierungspläne vieler Automobilzulieferer verschieben, doch sie berge auch neue Chancen, heißt es in der Automobilstudie.

Für die Studie "Herausforderung Globalisierung" befragte Oliver Wyman 50 Top-Manger von europäischen Autozulieferern und analysierte zwei Drittel der weltweit Top-100-Unternehmen, die Daten zu regionalen Umsätzen veröffentlichen. (APA)