Der Preis für das engagierteste Konzept in der internationalen Armutsbekämpfung wird wieder nicht an Österreich gehen. Eine knappe Seite widmen SPÖ und ÖVP in ihrem 267 Seiten langen Regierungsübereinkommen der Entwicklungszusammenarbeit (EZA). Von dem Fokus auf Armutsbekämpfung, der Friedenssicherung ist da die Rede. Aber geht es nach österreichischen Hilfsorganisationen, dann werfen diese Passagen mehr Fragen auf, als sie beantworten - ganz nach dem Motto: "Alles ist möglich, aber nichts ist fix" , sagt Christoph Petrick-Schweifer, Leiter der Auslandshilfeabteilung der Caritas.

Rotes Kreuz, Hilfswerk und Caritas, die vom Standard befragt worden sind, irritieren nicht nur die programmatischen "Nullaussagen". Die drei Organisationen fürchten vor allem, dass die österreichische Entwicklungshilfe massiv unter der Finanzkrise leiden wird.

Inhaltlich bleibt jedenfalls fast alles beim Alten, wie ein Vergleich mit dem letzten rot-schwarzen Regierungsprogramm 2007 zeigt. Die Regierung bekennt sich zu "bekannten" Themenschwerpunkten, wie Umweltschutz und Energie. Zwei Neuerungen stechen aber ins Auge: War 2007 noch von der "bevorzugten Förderung der Frauen" in der Armutsbekämpfung die Rede - das war ein besonderes Steckenpferd von Außenministerin Ursula Plassnik - fehlt diese Passage nun. Dafür wird neuerdings die HIV/Aids Bekämpfung erwähnt. Das ist bemerkenswert, weil die österreichische EZA bisher keinen Schwerpunkt auf Gesundheitsprojekte gelegt hat. So erhielt etwa der Global Fund, der größte Umsetzer von Anti-Aids-Programmen weltweit, von Österreich seit 2002 keine Beiträge mehr. Ebenso gibt es kein Geld für UN-Aids.

Damit, dass HIV/Aids nun erwähnt wird, soll angedeutet werden, dass ein Ausbau der Aktivitäten Wiens in diesem Sektor angedacht wird, heißt es aus dem Außenamt. Medial würde sich das besonders im Vorfeld der Weltaidskonferenz, die im Jänner 2010 in Wien tagen wird, nicht schlecht machen.

Das Problem dabei: Experten halten die bisherige Vorgangsweise Österreichs, HIV/Aids kein Hauptaugenmerk zu schenken, für sinnvoll. Kleine Geber müssen ihre Mittel konzentrieren, lautet schließlich der internationale Tenor. Werden zu viele kleine Projekte gefördert, verpufft ihre Wirkung.

Die Frage der Mittelkonzentration ist derzeit umso zentraler, als weltweit wegen der Finanzkrise mit einem Rückgang der EZA-Mittel gerechnet wird. Das Overseas Development Institute, ein britischer Thinktank, rechnet für 2009 damit, dass die Geldmittelflüsse aus den Industriestaaten in die Entwicklungsländer gar um 25 Prozent abnehmen werden.

Das Regierungsprogramm verweist in dieser Hinsicht bereits explizit auf die Krise: Österreich hat sich im Rahmen der EU verpflichtet, bis 2010 0,51 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für internationale Hilfe aufzuwenden. Dazu bekennt sich Rot-Schwarz weiter, fügt nun aber an, dass "die Erreichung der Ziele vor dem Hintergrund der beschränkten budgetären Möglichkeiten schwierig" erscheint. "Der Vorbehalt ist der Geburtsfehler der Regierungserklärung" , sagt Petrick-Schweifer. Die Formulierung klingt wie eine Hintertür, um im Ernstfall Geldmittel einfrieren oder gar streichen zu können. Im Programm 2007 "bekannte" sich Österreich noch zu dem 0,51-Ziel. 2008 ist davon die Rede, dass Wien bestrebt sei, sie zu erreichen.

"Diesen Vorbehalt bedauern wir zutiefst" , sagt auch Heidi Burkhart, Geschäftsführerin des Hilfswerk Austria. "Ja, die Zeiten sind schwierig. Aber wir hatten doch darauf gehofft, dass auch in Zeiten, wo der Gürtel enger geschnallt wird, nicht vergessen wird, dass es Menschen auf der Welt gibt, denen es viel schlechter geht als uns." (András Szigetvari/DER STANDARD, Printausgabe, 3.12.2008)