Die Hollywood-Stars machen es inzwischen vor und geben ihren Kindern so ausgefallene Namen wie Jimmy Blue oder Pax Thien, Apple oder Sunday Rose. Die Nicht-Hollywoodstars wiederum orientieren sich an den Filmschauspielern und nennen ihre Kleinen auch hierzulande Keanu, Angelina oder Cameron. Ist es auch der Klang, der zu solchen Namen anregt? Oder einfach die Absicht, sich von gängigen, traditionellen Namen zu unterscheiden?

Von der Nase zum Namen

In der Antike achtete man eher auf die Bedeutung eines Namens. Zumal Traditionen damals eine größere Rolle spielten als heute. Man war sehr darauf bedacht, einen Wunsch, seine spirituelle Haltung, manchmal auch ein typisch familiäres physiognomisches Merkmal wie eine schöne oder große Nase in dem Namen, den man seinem Kind oder sich selber gab, auszudrücken.

Zum Glück für heutige Linguisten, Ethnologen, Religions- und Kulturwissenschafter. "Namen können viel erzählen über die Einstellungen der Namensträger, über ihren Glauben, darüber, welche Qualitäten ein Mann oder eine Frau besitzen solle und über ihren Blick auf die Welt" , erklärt Nicholas Sims Williams von der Universität London.

"Wenn wir in den alten Texten Namen studieren, können wir über die verschiedenen Wortteile des Namens, die Bedeutung herausfinden. Kommen beispielsweise Wörter wie ‚Führer', ‚Schwert', ‚Heer' & ‚Schlacht' in Namensteilen vor, haben wir es mit einer kriegerischen Gesellschaft zu tun. Oder wenn wir Namen haben, die anzeigen, Sklave von so und so einem Gott, dann wissen wir, dass die Leute diesen Gott verehrten, als der Name zum ersten Mal benutzt wurde - und das kann Jahrhunderte, ja Jahrtausende vor dem Text gewesen sein, den wir erforschen."

Die Namenforschung als wissenschaftliche Disziplin nahm erst im 19. Jahrhundert ihren Anfang. Im Jahre 1846 schrieb die Berliner Akademie der Wissenschaften auf Anregung von Jacob Grimm einen Preis für die Erstellung einer "Sammlung altdeutscher Namen" aus.

Das Institut für Iranistik an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften setzt diese Tradition fort und konnte internationale Wissenschafter für sein Hauptprojekt gewinnen; diese trafen sich vor einiger Zeit zu einem Symposion in Wien. Das inzwischen auf elf Bände geplante Iranische Personen-Namenbuch soll den gesamten Personennamenschatz der iranischen Sprachen erfassen.

Das Lexikon soll aber auch die aller Völker und Sprachen dokumentieren, mit denen iranische Völker seither in Berührung gekommen sind - von Latein und Griechisch über das Slawische bis zu den semitischen Sprachen, von Babylonien und Ägypten über Zentralasien und Indien weiter bis nach China.

"Frauen etwa tragen oft kriegerische Namen," sagt Ulla Remmer von der Universität Zürich. Sie erforschte die 60 im indischen Rigveda und iranischen Avesta - den jeweils ältesten Texten des Indischen und Iranischen - überlieferten Frauennamen.

" Das heißt aber nicht, dass Frauen Amazonen waren und in den Krieg gezogen sind" , so Remmer. "Das bedeutet nur, dass die Frau den Namen ihres Ehemanns getragen hat, oder einen von der Herkunftsfamilie abgeleiteten oder auch verkürzten Namen."

Namensbildung im Rigveda

Die mythischen weiblichen Personennamen des Rigveda, ihres Vergleichstextes, waren nach demselben Prinzip gebildet. Die mythischen Frauen hießen mithin nach ihren Partnern.

Das klingt sehr vertraut: Es ist noch gar nicht lange her, dass nach der Eheschließung eine Frau ungefragt und automatisch den Namen ihres Angetrauten erhielt und ihn fortan bis an ihr Lebensende tragen musste. (Chirine Ruschig/DER STANDARD, Printausgabe, 03.12.2008)