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Carolyn Christov-Bakargiev bei der Pressekonferenz in Kassel

APA/EPA/UWE ZUCCI

Kassel - Nach äußerst erfolgreich gewahrter äußerster Diskretion aller Mitglieder der Findungskommission (mit u. a. Udo Kittelmann, Alte und Neue Nationalgalerie Berlin; Kaspar König, Museum Ludwig Köln; Kathy Halbreich, MOMA New York) ist es also heraußen: Die documenta 13 (Eröffnung am 8. Juni 2012) wird die Chefkuratorin des Castello di Rivoli in Turin Carolyn Christov-Bakargiev leiten. Ihrem Kuratorium werden unter anderen angehören und also ab nun mit viel Künstlerpost rechnen müssen: Massimiliano Gioni (New York), Lisette Lagnado (Brasilien) und Viktor Missiano (Moskau). (mm)

Topjob im Kunstbetrieb

Unter falschem Namen musste die US-Amerikanerin Carolyn Christov-Bakargiev kürzlich in einem Hotel in Kassel übernachten - wie übrigens noch einige andere hochkarätige Kuratoren aus aller Welt. Sie alle hatten es im Ausscheidungskampf um die künstlerische Leitung der Documenta 13 bis ins Finale geschafft. Höchste Geheimhaltung - wer es letztlich doch nicht wird, sollte nicht bekannt werden.

Aber die Namen sickerten durch, allen voran jener der Favoritin. Am Mittwoch wurde die kompetente Kosmopolitin vom Aufsichtsrat der Documenta schließlich offiziell mit dem begehrten Topjob betraut - nach Catherine David leitet damit zum zweiten Mal eine Frau die Weltkunstschau, die 1955 gegründet wurde und alle fünf Jahre stattfindet.

In Sachen (Groß-)Ausstellungen ist die quirlige Frau mit den lockigen roten Haaren und einer Vorliebe für bunte Kleider jedenfalls versiert: Unter dem Motto "Revolutionen - Formen, die verändern" erhöhte sie als Chefkuratorin der Biennale von Sydney heuer die Besucherzahlen gegenüber dem Vorjahr um 37 Prozent.

Geboren 1958 in New Jersey als Tochter eines bulgarischen Vaters und einer italienischen Mutter, schloss Carolyn Christov-Bakargiev ihr Literatur- und Philosophiestudium 1981 in Pisa mit summa cum laude ab. Thema ihrer Dissertation: das Verhältnis von zeitgenössischer Dichtung und Malerei. Diese Thematik und die Gegenüberstellung historischer Avantgarde-Positionen mit aktuellem Kunstschaffen lässt sich an den verschiedensten Stationen ihrer Karriere festmachen. So organisierte die ehemalige Kuratorin am New Yorker P. S. 1, einer der ersten Adresse für Avantgarde-Kunst, 1993 für die Venedig-Biennale eine Hommage an John Cage; 1997 übersäte sie Rom mit künstlerischen Interventionen zum Thema "Stadt-Natur".

Seit Anfang 2002 reüssiert die Mutter zweier Kinder als Chefkuratorin im Castello di Rivoli in Turin, einem der größten und wichtigsten Museen für zeitgenössische Kunst in Norditalien, unter anderem richtete sie dem südafrikanischen Zeichner und Animationsfilmkünstler William Kentridge eine Personale ein.

Dem Selbstverständnis der Documenta entspricht, dass der jeweils neue Chef zeitgenössische Kunst auf ganz persönliche Weise spiegeln und kontextuieren kann. Man darf also gespannt sein, womit die profunde Kunstkennerin, Buchautorin und Ausstellungsmacherin Christov-Bakargiev die Kassel-Besucher im Jahr 2012 überraschen wird. (Andrea Schurian / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.12.2008)