Brüssel - Energieintensive Industriezweige wie die Stahl oder die Chemie-Industrie können auf weitgehende Ausnahmen von den EU-Klimaschutzauflagen hoffen. Nach einem Vorschlag der französischen Ratspräsidentschaft würden Stahl-, Chemie-, Papier-, Zement/Kalk- und Alu-Konzerne auch künftig CO2-Verschmutzungsrechte größtenteils gratis erhalten, nicht jedoch die Glas-, Keramik, Zucker und Holzplatten-Branche, hieß es am Dienstag aus Diplomatenkreisen.

Konkret sollen Sektoren, deren Produktionskosten durch die Auflagen um mehr als 5 Prozent steigen und in denen es mehr als 10 Prozent Handelsintensität gibt, ihrer CO2-Verschmutzungsrechte auch nach 2013 von der Pflicht befreit sein, die Emissionszertifikate zu ersteigern. Ähnlich wäre es für Branchen, deren Produktionskosten unabhängig von der Handelsintensität um mindestens 30 Prozent steigen würden, was nur auf die Zement- und Kalk-Industrie zuträfe.

Wettbewerbsnachteile

Die Frage von Wettbewerbsnachteilen für die europäische Industrie durch fehlende Klimaschutz-Auflagen in anderen Staaten zählt zu den entscheidenden bei den Verhandlungen über das geplante Gesetzespaket. Die EU will mit harten Vorgaben für die Industrie und die EU-Staaten bis 2020 den Ausstoß an gefährlichen Treibhausgasen um ein Fünftel gegenüber 1990 senken.

Vor allem Deutschland fordert angesichts des drohenden Wirtschaftsabschwungs weitgehende Ausnahmen von der geplanten Versteigerung von CO2-Zertifikaten auch nach 2013. Polen und einige andere osteuropäischen Staaten wollen wiederum die Stromwirtschaft entlasten, die nach dem vorliegenden Entwurf der EU-Kommission die CO2-Verschmutzungsrechte von 2013 an zur Gänze kaufen müsste. Der französische Vorschlag soll ihnen nun zumindest längere Fristen bis zur hundertprozentigen Auktionierung ab 2016 einräumen.

Ausnahmen für 90 Prozent aller Industriezweige

Nach Angaben aus Diplomatenkreisen kommt die EU-Kommission in einem internen Papier zu dem Schluss, dass mit dem französischen Vorschlag rund 90 Prozent aller Industriezweige, die unter den Emissionshandel fallen, von den Versteigerungen ausgenommen wären.

Der französische Vorsitz schlägt eine Definition der energieintensiven Sektoren bis 30. Juni 2009 vor, die Liste soll demnach alle fünf Jahre überarbeitet werden. Das EU-Parlament, das dem Gesetzespaket ebenfalls zustimmen muss, will eine eine Definition der Sektoren bis März 2010. Die EU-Kommission ging bei ihren Gesetzesplan noch restriktiver vor: Die entsprechenden Sektoren sollten erst nach der nächsten großen Klimakonferenz von Kopenhagen im Dezember 2009 festgelegt werden, außerdem sollten strengere Kriterien für energieintensive Industriezweige gelten.

In Brüssel wird derzeit intensiv zwischen den EU-Staaten und dem Europaparlament über das Klima- und Energiepaket verhandelt, nachdem die französische Präsidentschaft dieses Prestigeprojekt noch vor Jahresende abschließen will. Die EU-Umweltminister wollen bei ihrem Treffen am Donnerstag in Brüssel zwar darüber beraten, eine Einigung auf die zentralen Fragen ist aber erst beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs nächst Woche geplant. Nach Angaben von Diplomaten sind noch sehr viele Punkte offen. (APA)