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Die Außenpolitikerin Susan Rice vertritt Washington zukünftig bei der UNO in New York.

Foto: APA/EPA/Maury

Die USA und die UNO - da denkt man sofort an John Bolton. An den raubeinigsten Diplomaten George W. Bushs und seinen berühmtesten Spruch. "Würde es zehn Stockwerke verlieren, so machte das nicht den geringsten Unterschied" , sagte Bolton und stellte klar, für wie überflüssig er das Hauptquartier der Vereinten Nationen am New Yorker East River hält. Bis vor zwei Jahren hat der Mann mit dem buschigen Schnauzer sein Land in dem Glaskasten in Manhattan vertreten. Ihn muss man sich ins Gedächtnis rufen, um zu begreifen, wie dramatisch Barack Obama den Kurs ändert. Dessen UN-Botschafterin Susan Rice bietet einen Kontrast zu burschikosen Unilateralisten von Boltons Kaliber, wie er schärfer kaum ausfallen könnte.

Sie hat nicht nur an der kalifornischen Stanford University studiert, sondern auch im britischen Oxford. Allein damit hat sie dem Durchschnittsamerikaner einiges voraus, nämlich die Erfahrung des Lebens im Ausland. Und kaum jemand sonst in Washington spricht so oft von der Notwendigkeit multilateralen Handelns, wie es Susan Rice tut. "Auf epidemische Krankheiten können Sie nicht schießen. Auf den Klimawandel können Sie nicht schießen. Sie können diese Herausforderungen nur meistern, wenn Sie Lösungen haben, die Staaten und Völker rund um den Globus einbeziehen" , sagte sie im Juni in einem Interview.

Damals war sie die außenpolitische Topexpertin des Kandidaten Obama. Viele sahen in ihr die künftige Außenministerin oder nationale Sicherheitsberaterin. Mag sein, dass sie nun enttäuscht ist. Auf Ausgleich bedacht, hievte der designierte Präsident eine Konkurrentin (Hillary Clinton) und einen Viersternegeneral (James Jones) auf die Spitzenposten.

Das ändert nichts daran, dass die 44-Jährige starke Akzente setzen wird. Afrika dürfte ins Rampenlicht rücken. Wenn es ein Schlüsselerlebnis gab in ihrem Leben, dann war es eine Reise nach Ruanda. 1994 besuchte sie das Land, in der 800.000 Menschen Opfer eines Völkermords geworden waren. In einer Kirche sah sie hunderte verwesender Körper. "Leichen, die man zerhackt hatte. Es war das Schrecklichste, was ich je gesehen habe. Es macht dich verrückt. Es macht dich entschlossen."

Ein zweites Mal, fordert Rice, dürfe die Welt nicht abseits stehen, wenn ein afrikanisches Land in blutigem Chaos versinke. Der Abwartehaltung, die George W. Bush in der sudanesischen Darfur-Region an den Tag legte, will sie energisches Handeln entgegensetzen. Darfur, sagt sie, sei ein krasses Beispiel für westliche Scheinheiligkeit, für Sonntagsreden, gepaart mit der Zuschauerrolle.

Die zierliche Frau, die gern Tacheles redet, stammt aus einer angesehenen afroamerikanischen Familie in Washington. Ihr Vater war Ökonomieprofessor, ihre Mutter eine Bildungsexpertin, die der Tochter ans Herz legte, dass "kein Traum zu kühn ist, um ihn nicht träumen zu können"
.

In Stanford kreuzten sich ihre Wege mit denen von Condoleezza Rice, Bushs Chefdiplomatin, die an der Eliteschmiede unterrichtete. Mit nur 32 Jahren wurde sie unter Bill Clinton Vize-Außenministerin, zuständig für Afrika. 2001 ging sie zur Brookings Institution, einer Denkfabrik, die ambitionierten US-Demokraten in Oppositionszeiten oft als akademisches Exil dient. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 3.12.2008)