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Die Party ist vorbei. Jetzt sind die Aufräumarbeiten im Gang.

Foto: Getty/Kanokan

Wien - Wer ist schuld an der Finanzkrise? Dieser Frage widmet sich am Dienstag eine vom Wiener Hayek-Institut und vom Österreichischen Genossenschaftsverband veranstaltete Diskussionsrunde. Der Schuldfrage rückt man sowohl von technischer als auch von philosphischer Seite zu Leibe. Die Quintessenz lässt sich mit dem Schluss-Statement von Michael Ikrath, ÖVP-Nationalratsabgeordneter und Generalsekretär des Sparkassenverbands beschreiben: „Mehr Demut, mehr Augenmaß, mehr nachhaltiges Wachstum." Dem Verzicht darauf ließe sich wohl eine Teilschuld am Crash zuschreiben. Worum es jetzt gehe, so Ikrath: „Nicht kurzfristig maximieren, sondern langfristig optimieren. Das bedeutet Verzicht auf rasantes Wachstum."

Regulierungs- und Bilanzierungsfragen werden ebenso angeschnitten, wie die These - von Wiener-Zeitung-Chefredakteur Andreas Unterberger - „63 Jahre Aufschwung verdirbt die Köpfe" aufgestellt. Thorsten Hens, Professor in Zürich, Michael Ikrath, Andreas Unterberger, u.a. legen nichts Neues auf den Tisch. Die Niedrigzins-Politik der US-Notenbank zu Beginn des Jahrtausends, nennt etwa Thorsten Hens. Dadurch sei zu viel billiges Geld zu haben gewesen, was wiederum den Immobilienboom in den Vereinigten Staaten angeheizt habe. Mit dem Platzen der Blase sei das US-Hypothekensystem dann aus den Fugen geraten. Die Folgen sind bekannt.

Hypothekarkredite für jedermann

„Wenn wir Argumente suchen, dass die Krise beim Staat begonnen hat, dann können wir sie in der Clinton-Ära finden", bestätigt Ikrath, „wo die Devise lautete: Ein Hypothekarkredit für jedermann." Das Klumpenrisiko wurde wohl unterschätzt, fügt er an. Ikrath ortet Staatsversagen in vielerlei Hinsicht: Abgesehen von der Politik des billigen Geldes sei es eine "Todsünde" gewesen, Lehman Brothers nicht zu retten. Panik und Vertrauensverlust seien die Folgen gewesen. Und weil das Thema lautete „Finanzkrise zwischen Markt- und Staatsversagen" kam auch der Markt nicht ungeschoren davon. Auch er habe nicht funktioniert: So konnte das System der globalen Diversifikation von Risiken - durch Bündelung und Weiterverkauf von Krediten - die Folgen der Immobilienkrise auf das Finanzsystem nicht wie erwartet abfedern.

Diskussionsbeiträge kommen auch aus dem Publikum - rund 100 überwiegend sonore Herren in dunklen Anzügen. Welche Rolle spielte der Währungsfonds, stellt einer von ihnen in den Raum? „Ob die nur sinnvolle Sachen machen? Ich bin da nicht immer ganz sicher", sagt Thorsten Hens. „Es gibt da sicher Fehlentwicklungen, die zu korrigieren sind". „Marktversagen? Was heißt das?" wirft ein weiterer Gast ein: „Es gibt kein Marktversagen, vielleicht haben einige Marktteilnehmer versagt. Es gibt Staatsversagen, denn Geld kann man nicht aus dem Nichts schaffen." Wenn der Staat genug Geld habe, möge er es doch in Bildung stecken. Dann käme manch einer wohl gar nicht in die Lage, sich gutgläubig auszuliefern, lautet sein Rat.

Den Staat wieder los werden

Überwiegend einig ist man in der Runde, die Staatsinterventionen für richtig zu befinden. Der Tenor lautet, dass nun der rechzeitige Abzug desselben nicht übersehen werden dürfe. Hens verweist auf die Bankenkrise im Skandinavien der 90er Jahre. Damals habe der Staat sich rechtzeitig zurückgezogen „und alles ist gut ausgegangen". Wiewohl: Man dürfe es auch nicht den Banken überlassen, die Regeln zu schreiben. Aufsichtsbehörden sollten "die Irrationalität der Märkte" stärker berücksichtigen und das Gesamtsystem im Auge haben.

Die Interventionen des Staates zur Stabilisierung seien notwendig - ja alternativlos, ergänzt Michael Ikrath. Der Staat sei als Startzünder zu verstehen, betont er und fügt - als Seitenhieb an den angekündigten, aber nicht anwesenden SPÖ-Abgeordneten Jan Krainer - hinzu: „Das ist eine temporäre Aufgabe." Der politische Auftrag werde es sein, den Staat wieder los zu werden, „nicht wie die SPÖ sich das vorstellt". Am Ende bleibt die einfache Wahrheit, die Manfred Kastner, Chef des Öl-Dienstleisters C.A.T. Oil ausspricht: „Wir sind alle mitverantwortlich. Wir haben uns zu einer Party eingeladen, und jetzt müssen wir die Rechnung begleichen." (Regina Bruckner)