Landwirtschaft wie vor 100 Jahren: Das Land Tirol versucht im Kosovo gezielt zu helfen und damit die Zukunft von Menschen im Land zu sichern. In den vergangenen zehn Jahren flossen rund 2,3 Millionen Euro in die Wiederaufbauhilfe.

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Jetzt, wo er einen Traktor habe, um seine Felder zu bestellen, werde alles gut. Der 32-jährige Bauer Nexhat Llalloshi holt sein altes Pony "Gjog" und spannt es noch einmal ein. Sein Sohn führt das Pferd durch den tiefen Acker, er selbst hält den Pflug. So hat Nexhat jahrelang seine sechsköpfige Familie ernährt. Mit dem neuen Traktor könne er nun viel schneller seine Felder bestellen. 500 Euro habe er schon mit dem neuen Gerät verdient, erzählt Nexhat.

Der Traktor ist ein altes Modell der Firma Lindner. In Tirol ausrangiert, für den neuen Besitzer im Kosovo wieder hergerichtet. Wert: 9000 Euro. "Seit wir die Wiederaufbauhilfe vor Ort im Kosovo gestartet haben, werden uns immer wieder Geräte angeboten, die in Tirol niemand mehr braucht. Wir lassen sie herrichten und schaffen im Kosovo damit die Lebensgrundlage für viele Menschen", so Koordinator Peter Logar. Logar reist mindestens dreimal im Jahr ins ehemalige Kriegsgebiet. Noch immer sind viele Straßen nicht asphaltiert, noch immer ist die Zugverbindung in den Norden unterbrochen. Und noch immer fällt ein paarmal am Tag der Strom aus.

Frieren im Klassenzimmer

Besonders schwierig ist der schon jahreszeitlich bedingte frühe Einbruch der Dunkelheit zusammen mit einem Stromausfall in der Schule. Die Schule in Hertica, ebenfalls ein Tiroler Hilfsprojekt, fällt langsam auseinander. Manche Stühle wackeln, der Holzofen im Klassenzimmer steht ganz vorn beim Pult, wer in der letzten Reihe sitzt, friert. Zentralheizung gibt es keine, Glühbirnen ebenfalls nicht. Die Schule, die im Zweischichtbetrieb für neun Schulstufen geführt wird, wird geschlossen, sobald es dunkel wird.

Die Schulkinder, die sich über 250 fast neue Schultaschen aus Tirol freuen, sind dennoch optimistisch. Sie wollen auf jeden Fall im Kosovo bleiben. So auch die 14-jährige Lelja. Das dunkelhaarige Mädchen ist mit seiner Familie nach dem Krieg vor acht Jahren aus Hamburg zurückgekehrt. Auch im Kosovo hat sie ehrgeizige Pläne. Nach der neunten Klasse will sie in Podujevo, der Bezirkshauptstadt, aufs Gymnasium. Und dann Wirtschaft studieren und in einer Bank arbeiten. An Deutschland kann sie sich erinnern, zurück will sie nicht: "Warum auch? Meine Heimat ist hier", sagt sie.

Die Arbeitslosenquote liegt im Kosovo seit dem Ende des Krieges 1999 bei 60 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt nahezu 100 Prozent. Der durchschnittliche Monatslohn im öffentlichen Dienst beträgt 175 Euro. Am Land ist das Überleben noch einmal schwieriger. Deshalb ist der Agrarexperte Andreas Leichter immer wieder im Kosovo. Er hilft den Bauern, ihre Kühe artgerechter zu halten: Dann steigt auch die Milchleistung. Die Landwirtschaft sei am Stand von vor 50 bis 100 Jahren, erzählt Leichter. Die Ställe sind klein und dunkel. Zwei Bauern hat Leichter beim Umbau ihres Stalles unterstützt, nicht nur finanziell, auch in der Planung. Mit der Milchwirtschaft kann ein Bauer rund 300 Euro im Monat verdienen, genug um eine Zukunft im Land zu sehen.

Eine Zukunft für seine Kinder sieht auch Nexhats Vater. Er liegt krank im Bett und meint: Mit dem Traktor sei seine Familie versorgt, jetzt könne er sterben.  (Verena Langegger aus Podujevo/DER STANDARD, Printausgabe, 5.12.2008)