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Josef Christl, ehedem Mitglied des OeNB-Direktoriums, rechnet damit, dass sich die Kerninflationsrate von derzeit 2,5 Prozent im zweiten Halbjahr 2009 bei 1,5 Prozent einpendeln wird.

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Die Gefahr der Deflation (anhaltender Rückgang des Preisniveaus; Japans Wirtschaft kam in den Neunzigern kaum mehr aus dieser Phase heraus) beschäftigt die Ökonomen. Während die einen angesichts sinkender Inflationsraten die Deflationsgefahr (Folgen: Kaufzurückhaltung der Konsumenten, die auf weitere Verbilligungen hoffen und daraus resultierend stetige Produktionsrückgänge) für hoch halten, geht Ökonom und Berater Josef Christl "nicht davon aus, dass es zu einer Deflation kommt".

Christl, ehedem Mitglied des OeNB-Direktoriums, rechnet vielmehr damit, dass sich die Kerninflationsrate (ohne Preise für Energie und Lebensmittel) von derzeit 2,5 Prozent im zweiten Halbjahr 2009 bei 1,5 Prozent einpendeln wird. In Europa würden den deflationären Tendenzen auch die Realeinkommenszuwächse entgegenwirken, die sich aus Steuerreformen und den im Vergleich zu den USA "weniger flexiblen" Lohnabschlüssen ergeben.

Der Unterschied zur Großen Depression in den 30ern bestehe darin, dass der Staat heute die faulen Kredite im Finanzsystem "in beträchtlichem Umfang" übernimmt, zudem verfügten die Notenbanken heute über mehr Spielraum. "Die Notenbanken übernehmen viel Verantwortung und Assets, die früher nicht notenbankfähig gewesen wären", erklärt Christl im Gespräch mit dem Standard. Zudem mache die rasche internationale Koordination zwischen den Regierungen und Zentralbanken eine Abwärtsspirale der Weltwirtschaft à la Dreißigerjahre "unwahrscheinlich", zumal automatische Stabilisatoren wie die Arbeitslosenversicherung, aber auch die Fiskalprogramme der Staaten den privaten Konsum stützen.

Japan ist nicht Europa

Den Unterschied zu den deflationären Jahren der 1990er in Japan ("lost decade") sieht Christl in erster Linie in der Eigenkapitalzufuhr fürs Finanzsystem. Die werde helfen, die Kreditklemme, aus der die Japaner damals ein Jahrzehnt lang nicht mehr herausgefunden hätten, "rascher zu überwinden".

Den Preis für all die Hilfsmaßnahmen verschweigt der WU-Gastprofessor am Institut für Geld- und Finanzpolitik aber auch nicht, die Staatsverschuldung werde "sehr hoch" ausfallen, was mittelfristig entweder "massive Steuererhöhungen" nach sich ziehen werde - oder "die Inflationierung der Wirtschaft durch die Notenbanken". Diese kaufen schon jetzt große Mengen längerfristiger Staatsanleihen, allein die Bilanzsumme der amerikanischen Fed hat sich von 900 auf 2200 Milliarden Dollar erhöht. Christl: "Die US-Notenbank finanziert den Staat in bemerkenswertem Umfang. Das ist, wie wenn man beginnt, Geld aus dem Hubschrauber abzuwerfen."

Der Vorteil der EU läge im (allerdings gelockerten) Stabilitätspakt, dessen Korsett derartige Entwicklungen verhindere; zudem hält der Ex-Notenbanker die Europäische Zentralbank für "extrem unabhängig von der Politik", die Fed sei das "nicht so sehr". (gra, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.12.2008)