Trotz des einheitlichen Währungsraums differieren die Zinsen um 1,8 Prozentpunkte - und zwar zwischen Griechenland und Deutschland. Das ist eine für die Union einzigartige Situation. Auch Italien und Irland büßen an den Kapitalmärkten für ihre hohe Staatsverschuldung und müssen 1,2 Prozentpunkte mehr für den Schuldendienst leisten als Deutschland. Österreich wiederum wird für sein hohes Osteuropa-Engagement bestraft - die Aufschläge liegen bei 0,60 Prozentpunkten (oder 60 Basispunkten, wie Händler sich ausdrücken).

Für Heinz Bednar, Geschäftsführer der Erste Sparinvest, rüttelt die Divergenz an den Grundfesten der Eurozone. Tatsächlich sorgt die Entwicklung für hektische Betriebsamkeit auf EU-Ebene. Die unterschiedliche Belastung der Haushalte bei den Zinszahlungen führt nun hinter den Kulissen zu Diskussionen, Staatsanleihen zentral in der Eurozone zu begeben und dann die notwendigen Mittel an die nationalen Haushalte zu verteilen. Entsprechende Überlegungen bestätigte Währungskommissar Joaquín Almunia am Donnerstag laut Nachrichtenagentur Reuters. Bednar bezeichnet die Finanzierung der EU-Hilfe für Ungarn, die zentral von Brüssel vergeben wird, als ersten Schritt in diese Richtung.

Allerdings scheinen weiterführende Pläne nicht aufzugehen. Gemeinsame Euro-Emissionen würden nämlich zwangsläufig zu einem Mischsatz bei der Staatsfinanzierung führen. Deutschland bezahlte dann für die hohen Risikoprämien Italiens. Dazu Almunia: "Es gibt einige Staaten, die das offensichtlich ablehnen." Als Alternative schlägt der Kommissar eine Aufwertung der Europäischen Investitionsbank (EIB) vor, die notwendige Ausgabenprogramme in höherem Ausmaß und besser finanzieren könne.

Finanzkrise lässt grüßen

Auch Franz Hahn vom Wirtschaftsforschungsinstitut sieht die Zeit für gemeinsame Anleiheprogramme nicht reif. Er verweist darauf, dass dafür keine zentrale Emissionsstelle vorhanden sei. Wenngleich der Experte eine "sehr ungewöhnliche Entwicklung" beobachtet, befürchtet er keine Gefährdung der Eurozone.

Hahn erinnert, dass bis Anfang 2007 kaum Zinsunterschiede zwischen Österreich und Deutschland bestanden. Die erste Welle der Finanzkrise - erste Subprime-Ausfälle in den USA wurden im Sommer des Vorjahres ruchbar - habe dann den Zinsabstand zu Deutschland auf 30 Basispunkte vergrößert. Im heurigen Frühjahr kam dann der zweite Schub rund um die Beinahe-Pleite von Bear Stearns. Seit dem Lehman-Kollaps im Oktober wird ein neuer Schub verzeichnet. Ein - wenngleich nicht ausreichender - Erklärungsgrund dafür ist die Flucht der Anleger in deutsche Staatsanleihen. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.12.2008)