Mit der wechselseitigen Zuschreibung planwirtschaftlicher Exzellenz ist der Post nicht gedient, daher will ich diese Ebene wieder verlassen. Zur Sache: Ist die Post jetzt ein "natürliches Monopol" oder nicht? Böheims Klassifizierung der Post als "Netzwerkindustrie", deren Infrastruktur - wie bei der Energie oder Bahn - ein natürliches Monopol ist, bei der Wettbewerb keinen Sinn mache, hingegen der Wettbewerb zwischen den auf dieser monopolistischen Infrastruktur anbietenden Dienstleistern sehr wohl, wirft zunächst eine weitere Frage auf: Was ist die "Netzinfrastruktur" der Post? Die Postämter? Die Briefkästen? Die "Versorgungsleitungen" (wie bei Strom) alias Zustelldienste?

Dann stehen wir vor dem merkwürdigen Phänomen, dass es bei Postämtern und Zustellflotten schon jetzt ineffiziente Parallelstrukturen gibt: Anstelle eines einheitlichen Postnetzes hat schon heute jeder Paketservice ein eigenes Filialnetz und eigene Autos. Der Brief- bzw. Paketträger kommt nicht einmal, sondern drei-, vier- oder fünfmal, je "funktionierender" der Wettbewerb, desto öfter. Versäume ich an einem Tag drei Pakete von drei verschiedenen Anbietern, muss ich diese abends an drei verschiedenen Abholstellen einsammeln! Untertags explodiert der Postautoverkehr. DPD macht pro Paket drei Zustellversuche. Böheims Vergleich mit dem Stromnetz hinkt daran, dass sich dort unterschiedliche Anbieter eines einzigen Netzes bedienen!

Vielleicht ist das auch so gemeint, und Böheim versteht das natürliche Infrastrukturmonopol der Post nur für die - erst zu liberalisierende - Briefpost, nicht aber für die bereits liberalisierte Paketpost. Dann hätten wir allerdings Wettbewerb nur bei der Ausschreibung von Gebietsmonopolen. Der billigste Bieter, der die Beschäftigten am schlechtesten entlohnt, hätte dabei gute Gewinnchancen, ich vermisse Böheims Stellungnahme zum Kommentar von Christoph Hermann und Jörg Flecker. Bei Ausschreibungswettbewerben bliebe das natürliche Monopol unangetastet, es würden nur unterschiedliche Regionen von unterschiedlichen Aktiengesellschaften bedient werden, inklusive Abschöpfung der Monopolrente - wollen wir dorthin? (Was passiert mit der Post zwischen den Gebietsmonopolisten?)

Knebelbedingungen

Zum Greißler-"Plan": Warum wohl haben bisher 1000 Postämter dichtgemacht, sind aber nur 200 Greißler Postpartner geworden? Offenbar gibt es attraktivere kaufmännische Betätigungsfelder, als einen Standardvertrag mit einem profitorientierten Konzern zu erfüllen. In Deutschland senkt die Post dieser Tage das Grundgehalt für Postpartner von 800 auf 10 Euro. Der Rest der Bezahlung erfolgt ab sofort "leistungsorientiert" - als hätten die Postpartner einen Einfluss darauf, wie viele Briefe sich Menschen schreiben. Unter solchen Knebelbedingungen werden die "Postpartnerschaften" weder boomen (in Deutschland denken viele an den Ausstieg) noch das Greißlersterben aufhalten können. Als Staatsbürger und Miteigentümer der Post möchte ich jedoch in der Versorgung nicht vom Überleben eines Greißlers abhängig sein.

Greißler sind für Böheim nur eine von "unzähligen Alternativen", eine andere ist Billa. Als Post-Miteigentümer will ich aber auch nicht mit jedem Paket zum Profit des Rewe-Konzerns beitragen. Ich will mich nicht mit Billa-Werbung bedröhnen lassen müssen, wenn ich einen Liebesbrief abschicke. Ich will nicht mit dem Auto an den Ortsrand fahren müssen, wenn ich "meine" Post und mein Postfach bisher zu Fuß erreichte. Ist wirklich jeder Preis recht, um ein öffentliches Gut zu zerstören? 77 Prozent der Bevölkerung sind laut einer market-Umfrage gegen die Privatisierung der Post. Was zählt die Demokratie?

Ganz sachlich und nicht persönlich gegen Böheim: Warum gibt es am - staatlich grundfinanzierten - Wifo nur Wettbewerbsökonomen, aber keine Kooperationsökonomen? Alle Sozialwissenschaften weisen kooperativen Strategien bessere Leistungen aus als Konkurrenzstrategien. Warum subventioniert dann der Staat einseitig die Wettbewerbsforschung? Die Demokratisierung der Post wäre eine kooperative Alternative zum Wettbewerb. Wir Post-Eigentümer sollten uns überlegen, wie wir mit unserem Eigentum verantwortlich umgehen können und uns von der Regierung nicht enteignen lassen. (Christian Felber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.12.2008)