"Gratis ist keine Krankheit, sondern eine Vertriebsform", findet Mediaberater Gerhard Turcsanyi. Rückenwind bekommt er durch die aktuelle Studie der Fachhochschule St. Pölten "Marktmodell für Zeitungsverlage". Darin wurden regionale Kauf- bzw. Gratiswochenzeitungen unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Den Leser interessiert die Qualität des Produkts, nicht die Vertriebsform.

"Je besser das Produkt, umso sicherer der ökonomische Erfolg", sagte Angela Fritz, Studiengangsleiterin Medienmanagement, bei einer Podiumsdiskussion in St. Pölten. Die Analyse der verschiedenen Zeitungsmodelle habe darüber hinaus gezeigt, dass sich einige Gratiswochenzeitungen in ihrer Inhaltsstruktur nicht von Kaufzeitungen unterscheiden und etwa der Anteil der Anzeigen - entgegen der landläufigen Meinung - in Bezug auf den redaktionellen Teil nicht unbedingt größer ist.

Das Erfolgsgeheimnis von regionalen Wochenzeitungen liegt in ihrer breiten Zielgruppe, glaubt Hermann Petz, Vorstandsvorsitzender der Moser Holding. Sein Tiroler Medienunternehmen hat unlängst die "Oberösterreichische Rundschau" übernommen und wandelt diese derzeit in einen Gratistitel um. "Jeder will sich über Bezirksthemen informieren, von der Hausfrau bis zum Bankmanager. Dadurch wird die Anzeigenspirale in Gang gesetzt", so Petz.

Irgendwann sei das ungeschriebene Gesetz aufgekommen, "dass Kauf Qualität bedeutet und Gratis nicht", so Petz. Hier werde allerdings "Qualität mit intellektuellem Anspruch verwechselt". Journalistische Qualität wurzelt laut Petz vielmehr in einer unabhängigen Berichterstattung und die sei nur durch wirtschaftliche Unabhängigkeit möglich.

Wirtschaftlich überlegen

Wirtschaftlich hält er die Gratiszeitungen gegenüber den Kaufzeitungen für überlegen, da "das Modell Gratis auch in der Krise gut funktioniert". Das bestätigte auch Roland Reischl, Chefredakteur der "Grazer Woche". Angesichts der aktuellen Finanz- und Konjunkturkrise würden die großen Investoren ihre Werbebudgets zurückfahren. Die Hauptinserenten bei lokalen Gratistiteln sei aber "die breite Basis der kleinen und mittleren Unternehmen. Mit denen werden wir leichter durch die Krise kommen, die halten uns die Treue", so Reischl.

Petz' Prognose für die Kauf-Wochenzeitungen fiel entsprechend pessimistisch aus: "Ich glaube nicht, dass sie mittelfristig überleben werden". Dem widersprach naturgemäß Martin Gebhard, Chefredakteur der Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN): "Ich glaube an das Kaufmodell und glaube, dass dieses neben der Gratiszeitung existieren und Erfolg haben kann." Der diesjährige Zuwachs der NÖN im Abo-Bereich würde dies belegen.

Peter Drobil, Werbeleiter der Bank Austria, betonte die "Gleichheit" von Gratis- und Kaufprodukten für den Werbemarkt: "Für uns ist es wichtig, möglichst umfassend beim Konsumenten anzukommen." Dazu bedürfe es aber auch einer genauen Reichweitenmessung, auch von Gratiszeitungen. Laut Fritz ist die strikte Trennung von Gratis- und Kaufzeitungen in Österreich "eine sehr medienpolitische Sache", die sich unter anderem darin widerspiegelt, dass die Media-Analyse keine Gratiszeitungen zulässt. Sie hält eine Aufweichung dieser starren Grenzen für sehr sinnvoll. (APA)