Ein Jahr lang hat CNN-Chefkorrespondentin Christiane Amanpour für "Scream Bloody Murder" recherchiert.

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Ein polnischer Anwalt, ein französischer Missionar, ein amerikanischer Diplomat, ein kanadischer General. Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt, mit verschiedenen Geschichten, die eines gemeinsam haben: Sie sind aufgestanden gegen Unrecht und Völkermord - zu einer Zeit, als es politisch nicht opportun war, als keine Regierung sie hören wollte.
Mit ihnen beschäftigt sich "Scream Bloody Murder" - (deutsch: "Das Unrecht in die Welt schreien"). Der Film zeigt sieben Genozide, nicht alle von Rechtsexperten als solche klassifiziert: beginnend mit dem Völkermord an den Armeniern im Jahr 1915 über den Holocaust, den Terror der Roten Khmer in Kambodscha, Saddam Husseins Giftgasangriffe auf irakische Kurden, die "ethnischen Säuberungen" in Bosnien und den Völkermord in Ruanda bis zu den andauernden brutalen Verbrechen von Regierungsmilizen an schwarzafrikanischen Rebellen in der sudanesischen Region Darfur.
Ein Jahr lang hat CNN-Chefkorrespondentin Christiane Amanpour recherchiert. Der Ausstrahlungstermin liegt im Umfeld des 60. Jahrestags der UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes.

"Scream Bloody Murder" ist nichts für jemanden, der gediegene Fernsehunterhaltung sucht. Die Bilder sind laut und verstören, und Amanpours Kommentare - verbale Geschoße, abgefeuert mit hartem britischem Akzent, klagen an. Zunächst zeigt der Film den polnisch-jüdischen Juristen Raphael Lemkin, der 1939 vor den Nazis in die USA floh und dort den Begriff des genocide in den englischen Sprachgebrauch einführte. Lemkin gilt als geistiger Vater der UN-Konvention - nachdem er zunächst vergeblich Amerika zur Intervention aufforderte.

Amanpour führt die Zuschauer weiter auf die Killing Fields von Kambodscha, wo Mitte der 70er-Jahre die Roten Khmer knapp zwei Millionen Menschen ermordeten. Und sie berichtet von jenem Krieg, der sie selbst als Reporterin prägte: Bosnien.

"In der Welt der 24-Stunden-Nachrichten konnte niemand mehr sagen: Ich habe nichts davon gewusst", sagt Amanpour. Es seien die Bilder von serbischen Konzentrationslagern gewesen, Bilder von ausgemergelten Körpern und hohlwangigen Gesichtern, "die in der westlichen Welt wie ein Reflex die Bilder vom Holocaust wieder aufleben ließen", erklärt Amanpour. Als 1995 die Nato-Luftangriffe begannen, waren bereits 8000 bosnische Muslime in Srebrenica von serbischen Milizen hingerichtet worden. Richard Holbrooke, später Berater der Clinton-Administration, hatte schon früh drängende Berichte vom Balkan nach Washington gesandt - und fand zunächst kein Gehör. Dennoch zahlte sein Engagement sich aus. Holbrooke gehört heute zu Amerikas angesehensten Krisendiplomaten.

Brutaler Einsatz

Für den kanadischen Generalleutnant Romeo Dallaire dagegen wurde sein Einsatz in Ruanda zur Katastrophe. Er musste zusehen, wie 1994 Hutu-Milizen Hunderttausende von Tutsi brutal abschlachteten. Mit seiner kleinen UN-Friedenstruppe konnte der Kommandeur nur wenig ausrichten. Bis heute zerfressen ihn Schuldgefühle. Wie sein Leben nach Ruanda aussehe, fragt ihn Amanpour: "Sehr viele Tabletten, sehr viele Therapien und sehr viele Momente, in denen ich nicht mehr leben will", antwortet der General lakonisch. Das ist einer der bedrückendsten Momente der Dokumentation - und "eines der schwierigsten Interviews, die ich je geführt habe", sagt Amanpour.

Der Film bleibt flach, wenn er den Motiven der Staatengemeinschaft für deren Zögern nachzuspüren versucht. Nur flüchtig streift er etwa die Frage, wer die Täter mit den Mordwaffen versorgte - und warum. Auf die internationale Strafgerichtsbarkeit geht Amanpour nur kurz ein, auf den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag sowie die Tribunale für Jugoslawien und Ruanda. Im Gespräch mit dem STANDARD ergänzt sie: "Die Existenz der Tribunale stellt einen riesigen Fortschritt dar. Aber die Gerichte müssen künftig schneller arbeiten, und sie dürfen nicht zulassen, dass ein Angeklagter die Kontrolle über den Prozess gewinnt." So wie es im Falle des serbischen Diktators Slobodan Milošević geschehen war, der 2006 in der Haft verstarb. 2009 soll der Prozess gegen den ehemaligen bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić beginnen.

"Scream Bloody Murder" schließt mit einer Frage: "Wird das nächste Mal jemand hinhören?" Amanpour: "Ich hoffe es. Wir als Reporter können nichts anderes tun, als die Geschichten zu erzählen, immer und immer wieder." (Katja Ridderbusch aus Atlanta, DER STANDARD; Printausgabe, 6./7./8.12.2008)