"Milchreis heute nicht."

Foto: David

Irgendwie passt das ja nicht wirklich zusammen. Auf der einen Seite die Ausrufung Wiens als Welthauptstadt der Gemütlichkeit - und dann tagtäglich die ang'fressenen G'frieser auf der Straße, in der U-Bahn, in der Bim. Lächeln als Mangelware, Bücher und Zeitungen als willkommene Hilfsmittel zum Abschotten.
Dabei kann es sich durchaus auszahlen, hin und wieder ein bisserl freundlich zu sein. Und zwar nicht nur von wegen in den Wald hineinrufen, und hören, was zurück kommt. Gelegentlich wird man als Dank für umgängliches Auftreten regelrecht gerettet.
Da gibt's zum Beispiel jenes Geschäft in der City, das täglich hunderte Kunden mit Mittagessen versorgt. Ein bisserl Trinkgeld geben, grüßen und am Freitag ein schönes Wochenend' wünschen - sowas fällt auf in Wien, den merken sie sich.
Und dann kam der Tag, an dem an der Feinkost-Budel "ein Schnitzelsemmerl und einmal Milchreis, bitte" bestellt wurde. Da winkte die Verkäuferin den freundlichen Kunden zu sich, um ihm leicht die Nase rümpfend ins Ohr zu raunen: "Milchreis heute nicht." Und schon war sie wieder draußen, aus dem Sackerl, die wohl etwas ältere Nachspeise. Und das Trinkgeld fiel an diesem Tag noch ein bisserl großzügiger aus. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe, 06./07./08.12.2008)