Am 11. Juli 1995 hetzte der bosnisch-serbische General Ratko Mladic in den Straßen von Srebrenica: "Auf nach Potocari! Heute ist der Tag der Rache!". Der Zug machte sich auf den Weg zu der Schuhfabrik im Vorort der Stadt, in der sich an die 40.000 muslimische Flüchtlinge aus der Umgebung unter dem Schutz der UN-Truppen wähnten. Dass das viel zu kleine Kontingent an niederländischen UN-Soldaten keinerlei Anstalten machte, Mladic und seine Soldaten, darunter viele aus der Gemeinde, davon abzuhalten, die Männer von den Frauen zu trennen, ist mittlerweile Geschichte.

Mladic immer noch flüchtig

Dass die UN-Soldaten wussten, dass das für die Männer den sicheren Tod bedeutete, muss angenommen werden. Rund 8.000 muslimische Männer wurden abgeführt, großteils erschossen und in Massengräbern verscharrt. Das UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat das Massaker von Srebrenica in einem rechtskräftigen Urteil als Völkermord bezeichnet - "ein in besonderer Weise verdammenswürdiges und schandvolles Verbrechen". Auch die bosnischen Serben haben diesen Tatbestand inzwischen anerkannt. Allerdings ist noch keiner der Verantwortlichen rechtskräftig wegen Völkermords verurteilt worden. Es gibt erst ein endgültiges Urteil wegen Beihilfe dazu: Radislav Krstic, der ehemalige Kommandant des Drina-Korps, das maßgeblich an der Unterwerfung Srebrenicas beteiligt war, wurde in Den Haag zu 35 Jahren Haft verurteilt. Einer der beiden Hauptangeklagten, der frühere politische Führer der bosnischen Serben Radovan Karadzic, wurde mittlerweile gefasst. Sein Prozess ist im Gange. Nach dem Militärkommandeur Mladic wird noch immer gesucht.

Tausende Opfer

Erst etwa 1000 der rund 8000 Opfer sind bisher identifiziert und auf dem Gedenkfriedhof von Potocari bestattet. Jedes Jahr am 11. Juli werden die während des Jahres identifizierten Opfer in einer gemeinsamen Zeremonie bestattet.

Heute ist Srebrenica ein Symbol für den dreieinhalbjährigen Krieg mit 260.000 Toten und 20.000 Vermissten. Noch  sind Hunderttausende Menschen auf der Flucht. In die Gemeinde Srebrenica kehrten von den etwa 10 000 Vertriebenen bisher erst rund 2000 zurück. Vor dem Krieg lebten in der Gemeinde etwa 40.000 Menschen, 70 Prozent davon waren muslimisch. Jetzt leben hier nur mehr 10 000, 60 Prozent davon serbisch. Viele der Vertriebenen sind  nach wie vor in den Flüchtlingslagern. Andere sind ausgewandert oder haben sich woanders niedergelassen, wenn sie die Gelegenheit dazu bekamen. Vor dem Krieg hatten die drei ethnischen Hauptgruppen, Serben, Kroaten und Muslime, in Bosnien friedlich nebeneinander gelebt.

Internationale Aufsicht

Zwar ist Bosnien heute als serbische Republik und bosniakisch-kroatische Föderation wiedervereint, doch es steht weiter unter internationaler Aufsicht. Noch immer sind ausländische Friedenstruppen dort stationiert. 2004 hat die Die Europäische Union die Führung des internationalen Friedenseinsatzes von der Nato übernommen. Der Nachfolgeeinsatz der SFOR, die European Union Force (EUFOR), wurde erst vor kurzem bis Ende 2009 verlängert. Insgesamt 120 österreichische Soldaten sind in Bosnien-Herzegowina im Einsatz. Zur Überwachung des Friedensprozesses agiert der Hohen Beauftragten der internationalen Gemeinschaft, derzeit Miroslav Lajak der Gesetze erlassen und Repräsentanten des Staatsdienstes entlassen kann, die dem Aufbau der multi-ethnischen Demokratie schaden.

Die Republik Bosnien-Herzegowina ist eines der ärmsten Länder Europas. Die Industrieproduktion erreicht derzeit noch nicht einmal die Hälfte des Vorkriegsstandes. Internationale Hilfen von insgesamt rund 4,3 Milliarden Euro schürten zwar das Wirtschaftswachstum in den ersten Nachkriegsjahren. Es ist inzwischen jedoch auf Raten um fünf Prozent zurückgefallen. Reformen und Privatisierungen kommen nur langsam voran, die Direktinvestitionen erreichen magere 1,4 Milliarden Euro. Die bosnische Mark ist fest an den Euro gebunden.

Österreichische Investitionen

Österreich ist mit einem Investitionsvolumen von rund einer Milliarde Euro der größte Auslandsinvestor in Bosnien-Herzegowina. Im Vorjahr steigerten sich die österreichischen Exporte nach Bosnien-Herzegowina um 33 Prozent auf 331 Mio. Euro und die Importe aus Bosnien-Herzegowina legten um 19,6 Prozent auf 204 Mio. Euro zu. Eine Tendenz, die sich fortsetzt.

EU-Perspektive

Der Abschluss eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens der EU mit Bosnien ist bislang an der noch nicht umgesetzten Polizeireform gescheitert. Die EU fordert, dass die in die Volksgruppen der Serben, Kroaten und muslimischen Bosnier unterteilten Sicherheitskräfte in einer Behörde zusammengefasst werden. Damit ist Bosnien im Annäherungsprozess der Staaten des westlichen Balkans derzeit Schlusslicht. (red, derStandard.at, 18.12.2008)