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7. August 2008: Eine Frau in Honduras bricht zusammen. Im TV läuft ein Bericht über die Hinrichtung eines Verwandten in Texas.

Foto: Reuters/Garrido

Mindestens 1252 Menschen wurden im Vorjahr ermordet, ohne dass ihre Mörder dabei ein Gesetz brachen - vielmehr vollstreckten sie geltendes Recht. Die Dunkelziffer ist aber weit höher, denn Staaten wie China verheimlichen einen Teil der Exekutionen, die dort auch bei Korruption als "Bestrafung" eingesetzt werden. Dass die Todesstrafe die Menschenrechte verletzt, ist den meisten Menschen klar. Trotzdem gibt es Länder, die der Erklärung der Menschenrechte zugestimmt haben, aber spätere Zusatzprotokolle, in denen die Todesstrafe ausdrücklich als Verletzung des Rechts auf Leben steht, nicht unterschrieben. Zu ihnen gehören auch die USA. 2007 wurden im sonst hochentwickelten Rechtsstaat 42 Delinquenten getötet.

In den Vereinigten Staaten stehen Politiker auch weiterhin zur grausamsten Art der Bestrafung, die in der EU längst Geschichte ist. Doch das könnte sich schon in einigen Jahren ändern, glaubt Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International (AI). "Sobald die Zustimmung in der Bevölkerung auf unter 49 Prozent fällt, werden auch sämtliche Gouverneure umfallen", schätzt Patzelt. Derzeit hält man noch bei mindestens 60 Prozent. Was dabei zuversichtlich stimmen darf: In den USA geht die Zustimmung für "Death Penalty" seit Jahren langsam, aber permanent zurück, "etwa zwei Prozent jedes Jahr". Nicht einmal 9/11 unterbrach diesen Trend. Nicht dass all die starken Argumente gegen gesetzlich verordnete Tötung in den USA bisher viel bewirkt hätten: Dass die Todesstrafe unmenschlich ist und zum überwiegenden Teil Minderheiten betrifft, also auch ein rassistisches Instrument ist, interessiert Befürworter ohnehin wenig. Aber auch, dass sie überhaupt nicht abschreckend wirkt, wie etwa Vergleiche zwischen den Kriminalstatistiken von US-Bundesstaaten, wo exekutiert wird, und Kanada, wo es keine Todesstrafe gibt, jedes Jahr unter Beweis stellen, reicht nicht. Selbst das brutal materielle Argument, dass Hinrichtungen den Staat mehr Geld kosten als lebenslange Haftstrafen, ist egal. "Mit der Todesstrafe werden nur Rachegefühle befriedigt", bringt es Patzelt auf den Punkt. Diese sollten im Gesetz aber nichts zu suchen haben.

Was bei Amerikanern wirklich Zweifel weckt, ist die Fehleranfälligkeit des Systems. "Während der vergangenen 20 Jahre wurden durch DNA-Tests viele Fehlurteile bekannt," erzählt Patzelt, "die Vorwürfe, Unschuldige hingerichtet zu haben, wollen sich die meisten Bundesstaaten nicht mehr antun".

Obamas siebentes Jahr

Dass sich Barack Obama im Wahlkampf für die Todesstrafe aussprach, war trotzdem logisch. Michael Dukakis war wohl der letzte demokratische Präsidentschaftskandidat, der sich vor den Wahlen als Gegner von Hinrichtungen outete - George Bush senior konnte das nur recht sein, denn Dukakis kosteten seine klaren Statements vielleicht sogar den Sieg. "Aber ich glaube dennoch, dass Obama die Todesstrafe bundesweit abschaffen wird", sagt der österreichische AI-General, "allerdings erst in seinem siebten Jahr als Präsident, also wenn er bereits einmal wiedergewählt wurde und nicht erneut kandidieren kann."

Bis heute haben sich 135 Länder von der Todesstrafe verabschiedet. 90 Prozent der Hinrichtungen 2007 wurden in China, dem Iran, Saudi-Arabien, Pakistan und den USA durchgeführt. Internationale AI-Kampagnen konzentrieren sich daher auf diese Staaten. Andere, in denen die Todesstrafe seit Jahren nur mehr auf dem Papier besteht, würden dann folgen. Auch aus China gibt es in letzter Zeit positive Signale. Hier gesteht man - anders als in den USA - sogar offiziell ein, so Patzelt, "dass es sich um eine grausame Bestrafung handle, man wisse aber noch nicht, wie man sie abschaffen solle." Eine Lösung bietet wohl die Resolution der UNO-Generalversammlung vom Dezember 2007: In ihr fordert die Staatengemeinschaft einen sofortigen Hinrichtungsstopp als ersten Schritt zur weltweiten Abschaffung. Österreich strich die Todesstrafe übrigens erst 1968 (auch aus dem Militärrecht) - rund 20 Jahre nach der letzten Exekution. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD/Printausgabe, 6./7. Dezember 2008)