Brüssel - Die USA könnten die geplante Errichtung einer Radaranlage in Tschechien für die Raketenabwehr nach Ansicht des tschechischen Außenministers Karel Schwarzenberg wegen der Wirtschaftskrise zurückstellen. "Ich kann mir ein gewisses Verschieben des Projektes vorstellen", sagte Schwarzenberg am Sonntagabend vor europäischen Medien in Brüssel. Tschechien hätte damit keine Schwierigkeiten. "Wir haben unsere Pflicht als Verbündete der USA erfüllt."

Wenn das Radar erst in zehn Jahren errichtet werde, wäre dies "eine Frage für denjenigen, der es bezahlt, und das Radar errichten die Vereinigten Staaten", betonte Schwarzenberg. Eine mögliche Bedrohung aus dem Iran durch Massenvernichtungswaffen und Interkontinentalraketen erwartet der Minister frühestens in zehn Jahren, wenn die Waffensysteme operabel seien.

Schwarzenberg wies die Kritik Russlands an der geplanten US-Raketenabwehr in Tschechien und Polen zurück. "Die Russen haben ja nicht so vehement dagegen protestiert, weil sie sich bedroht fühlen dadurch", sagte er. "Sie bilden sich nur noch immer ein, dass sie in Ländern, die früher zum Warschauer Pakt gehört haben, ein Einspruchsrecht haben. Und dies ist ein Standpunkt, den wir nicht akzeptieren können. Da hört der Spaß auf."

Die beim jüngsten EU-Russland-Gipfel in Nizza vom russischen Präsidenten Dmitri Medwedew und dem französischen EU-Ratsvorsitzenden Nicolas Sarkozy aufgebrachte Idee zur Einberufung eines Sondergipfels der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu Beratungen über eine neue europäische Sicherheitsarchitektur wies Schwarzenberg zurück. "Einen Sondergipfel zu dem hielte ich für einen vollendeten Wahnsinn. Darüber waren wir uns auch in Helsinki weitgehend einig", sagte Schwarzenberg in Hinblick auf den jüngsten OSZE-Ministerrat. Sarkozy sei bei der Begegnung mit Medwedew "etwas überschwänglich geworden", habe seine Aussagen aber später wieder abgemildert.

Die Idee einer neuen europäischen Sicherheitsarchitektur sei eine von Moskau "immer wieder aufgekochte Suppe", sagte Schwarzenberg. Es stelle sich eher die Frage, wie ernst ein Vorschlag für einen neuen Vertrag von jemandem zu nehmen sei, der alte Verträge noch nicht eingehalten habe, sagte Schwarzenberg in Hinblick auf den von Moskau aufgekündigten Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE).

Sollte Russland, wie angedroht, als Antwort auf das US-Raketenschild in Kaliningrad Kurzstreckenraketen stationieren, "wäre das natürlich ein äußerst unfreundlicher Akt". Die US-Abwehrraketen in Polen würden für Russland keinerlei Gefahr darstellen. "Ich habe den Verdacht, dass dieser Plan, so wie er formuliert ist, mehr gegen den armen (designierten US-Präsidenten Barack) Obama gerichtet ist, um zu checken, wie verhält er sich in so einer Situation, wie wird er für seinen Verbündeten einstehen." Tschechien übernimmt am 1. Jänner für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft von Frankreich. (APA)