Nairobi - Alle Konfliktparteien in Somalia haben nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) Kriegsverbrechen und andere Menschenrechtsverletzungen begangen. "Die Kämpfer in Somalia haben der Zivilbevölkerung mehr Schaden zugefügt als ihren Kontrahenten", sagte die HRW-Afrika-Direktorin Georgette Gagnon am Montag in Nairobi bei der Vorstellung eines Berichts über die humanitäre Situation in dem von Anarchie gezeichneten Land am Horn von Afrika. Somalia hat seit 1992 keine funktionierende Regierung mehr. "Es gibt keine schnellen Lösungen, aber die ausländischen Regierungen müssen aufhören, durch fehlgeleitete Politik Öl ins Feuer zu gießen", sagte Gagnon.

In dem Bericht mit mehr als 100 Seiten werden der Übergangsregierung in Somalia, ihren äthiopischen Verbündeten und islamistischen Rebellen vor allem "wahllose Angriffe, Tötungen, Vergewaltigungen, die Verwendung von Zivilisten als menschliche Schutzschilde" angeprangert. Der Bericht stützt sich auf Interviews mit mehr als 80 Zeugen und Opfern von Misshandlungen. "Die Welt hat den Schrecken in Somalia weitgehend ignoriert, aber somalische Familien sehen sich mit einer Gewalt konfrontiert, die täglich zunimmt", sagte Gagnon. Doch es handle sich nicht nur um den täglichen Alptraum von Zehntausenden, sondern um einen regionalen Konflikt und ein globales Problem.

Sicherheitsexperten warnen, dass die Krisenregion am Horn von Afrika zu den wichtigsten Rekrutierungsgebieten islamistischer Terroristen gehört. Die Al-Shabab-Miliz, der militärische Arm der vor zwei Jahren gestürzten Union der Islamischen Gerichte, wird von den USA als Terrororganisation eingestuft. In den vergangenen Monaten hat die Miliz wieder zunehmend Gebiete unter ihre Kontrolle gebracht und erst am vergangenen Wochenende in der zentralsomalischen Shabelle-Region eine radikal-islamische Verwaltung eingesetzt. Vor wenigen Wochen hatte in der von Shabab kontrollierten Hafenstadt Kismayu die Steinigung eines 13-jährigen Mädchens als angebliche Ehebrecherin für Aufsehen gesorgt. (APA/dpa)