Österreichs Volksschüler (4. Klasse) hinken bei den Leistungen in Mathematik und Naturwissenschaft um mindestens ein Lernjahr hinter Kindern aus den Siegerländern bei der Bildungsvergleichsstudie TIMSS 2007 (Trends in International Mathematics and Science Study) hinterher. In Mathematik erreichten die heimischen Volksschüler 505 Punkte, um mehr als 100 Punkte weniger als das Top-Land Hongkong (607). Das entspricht nach Angaben der Experten des Bundesinstituts für Bildungsforschung (BIFIE), die die Ergebnisse der Studie am Dienstag in Wien präsentierten, etwa 1,5 Lernjahren. In Naturwissenschaft beträgt der Abstand Österreichs zu den Besten 60 Punkte bzw. etwa ein Lernjahr.
36 Länder getestet
Bei der von der Forschungsgemeinschaft IEA (International Association for the Evaluation of Educational Achievment) durchgeführten Studie wurden die Kompetenzen in Mathematik- und Naturwissenschaft von rund 150.000 Schülern der 4. Klasse Volksschule in 36 Ländern erhoben. In Österreich wurden 2007 an 196 Schulen 325 Klassen getestet, insgesamt nahmen 4.859 Schüler daran teil. 1995 hat sich Österreich schon einmal an der Untersuchung beteiligt.
Österreich erreichte 2007 in Mathematik unter den 36 teilnehmenden Staaten mit 505 Punkten laut BIFIE den 17. Platz, unter den 16 teilnehmenden OECD-Staaten den 10. Platz und unter den 14 teilnehmenden EU-Staaten den 9. Rang (die Angaben über die Plätze stammen vom BIFIE, obwohl Experten immer wieder betonen, dass aufgrund der statistischen Schwankungsbreite Aussagen über den Rang nicht möglich sind, Anm.). Auch in Naturwissenschaft erreicht Österreich mit 526 Punkten nur das Mittelfeld, was laut BIFIE dem 15. Platz aller teilnehmender Länder entspricht, Rang neun bei den OECD-, und Platz sieben unter den EU-Ländern.
Kompetenzstufen
Von den 16 Ländern, die 1995 und 2007 an der Untersuchung teilgenommen haben, hat die Hälfte eine deutliche Leistungssteigerung in Mathematik erreicht, vor allem England (plus 57 Punkte gegenüber 1995) und Hongkong (plus 50). Österreich gehört mit einem Minus von 26 Punkten neben Tschechien (minus 55 Punkte) zu den einzigen zwei Ländern, bei denen sich die Leistungen "ganz erheblich" verschlechtert haben. In Naturwissenschaft haben sich sieben Länder verbessert (z.B. Singapur: plus 64 Punkte). Erhebliche Leistungsrückgänge gab es dagegen in Norwegen (minus 27), Tschechien (minus 17), Schottland (minus 14) und Österreich (minus 12).
TIMSS unterscheidet vier Kompetenzstufen, von der höchsten Stufe 4 mit den leistungsstärksten Schülern bis zur niedrigsten Stufe 1 mit dem schwächsten Schülerleistungen und darunter. Laut BIFIE gehören nur zwei Prozent aller österreichischer Schüler in beiden Testbereichen der leistungsstärksten Gruppe 4 an, in Hongkong dagegen 13 Prozent.
Unterste Leistungsgruppe
Dagegen zeigt jeder fünfte Schüler in Österreich (20 Prozent) sowohl in Mathematik als auch in Naturwissenschaften so schwache Leistungen, dass er nur in die unterste Leistungsgruppe kommt. Weitere 16 Prozent der Österreicher zählen in einem der beiden getesteten Gebiete zu den Leistungsschwächsten, sodass in Summe 36 Prozent der Zehnjährigen in die schwächste Gruppe fallen. In Hongkong dagegen sind nur 13 Prozent in dieser Kategorie.
Der Leistungsabfall Österreichs seit 1995 ist vor allem im oberen Leistungsbereich zu finden, wo sich 2007 deutlich weniger Schüler finden als 1995. Dagegen hat sich der hohe Anteil an leistungsschwachen Schülern laut BIFIE "leider wenig verändert". Ein oft gebrauchtes Argument entkräften die Bildungsexperten: Der höhere Migrantenanteil 2007 (17 Prozent gegenüber elf Prozent 1995) sei "keine ausreichende Erklärung dafür". So gehen in Mathe 25 Punkte des Gesamtminus (26 Punkte) und in Naturwissenschaft zehn der insgesamt zwölf eingebüßten Punkte ausschließlich auf das Konto einheimischer Schüler. Schüler mit Migrationshintergrund hätten dagegen 1995 und 2007 "praktisch gleich (schwach) abgeschnitten", heißt es seitens des BIFIE.
Dramatische Differenzen zwischen Schulen
"Dramatisch große Unterschiede" haben die Studienautoren zwischen den österreichischen Volksschulen festgestellt: Die beste und die schlechteste Schule liegen beim Mittelwert in Mathematik um 180 Punkte auseinander - und das "trotz Gesamtschule, einheitlichem Lehrplan, einheitlich ausgebildeten Lehrern und sehr ähnlichen Ressourcen", wie die BIFIE-Experten feststellen. Und einmal mehr räumen die Experten mit dem Argument auf, dies sei wohl auf den Migrantenanteil zurückzuführen: Rechne man nur die einheimischen Schüler, bleibe der Abstand praktisch gleich, so die Experten. (APA)