Noch wandert die Ausstellung über die NS-Militärjustiz durch Deutschland. In Wien soll der Österreich-Bezug stark in den Mittelpunkt rücken.

Foto: Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas

Wien - Nach längeren Verhandlungen ist es nun fix: Im kommenden Jahr wird die deutsche Wanderausstellung (derzeit in Freiburg) über die NS-Militärjustiz "Was damals Recht war" in Wien Station machen. Ab 1. September 2009, also exakt jenem Tag, an dem siebzig Jahre zuvor der Zweite Weltkrieg begann, soll die Schau zu sehen sein. Am Wochenende haben die deutschen Ausstellungsmacher der Stiftung "Denkmal für die ermordeten Juden Europas" die genauen Modalitäten mit dem Personenkomitee "Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz" und mit dem Verein Gedenkdienst abgeklärt. "Was damals Recht war" zeigt den Apparat der Wehrmachtsjustiz, die Täter und deren Opfer - sowie deren Geschichte nach 1945. Geschätzte 50.000 Todesurteile, mindestens 20.000 vollstreckt, sind die erschreckende Bilanz dieser NS-Richter.

Anders als in Deutschland erwarten die Ausstellungsmacher hierzulande Widerstand. "Was wir in Gesprächen erfahren haben, etwa die Wahl des Burschenschafters Martin Graf zum Dritten Nationalratspräsidenten, klingt sehr danach, dass es erheblichen Protest geben könnte", sagt Kurator Ulrich Baumann im Standard-Gespräch. Auch der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny spricht von einer "thematischen Fortsetzung der Wehrmachtsausstellung".

Für zusätzlichen Sprengstoff könnte die umfangreiche Adaptierung der Schau sorgen. Der Österreich-Bezug soll thematisch stark sichtbar, Schicksale wie beispielsweise jenes von David Holzer nachgezeichnet werden. Das Leben des österreichischen Wehrmachtsjustizopfers ist gut dokumentiert: 1923 in Glanz in Osttirol in ein christlich-soziales Elternhaus geboren, wird Holzer 1942 zur Wehrmacht einberufen. Auf Fronturlaub baut er sich mit einem Freund, der ebenfalls desertieren will, ein Versteck. Sie werden verraten, Holzer stellt sich. Im März 1944 wird er zum Tode verurteilt, die Strafe später zu 22 Jahren Zuchthaus mit Frontbewährung abgemildert. Holzer wird in ein Militärstrafgefangenenlager, ein Emslandlager, gebracht - dann muss er "zur Bewährung" an die Ostfront. Erst ein Jahr nach Kriegsende konnte er unter schwierigsten Bedingungen heimkehren. Wer ihn verraten hat, verrät der 85-Jährige bis heute nicht. Nun sollen solche und ähnliche Schicksale, über die bislang wenig bekannt war, im Rahmen der Ausstellung sichtbar gemacht werden. Wien schlägt als Standort den Nestroyhof im zweiten Wiener Gemeindebezirk vor. Ein historisch stimmiger Ort: Von 1927 bis 1938 waren hier die Jüdischen Künstlerspiele. 1940 wurde der Hof arisiert. 1956 folgte eine außergerichtliche Vereinbarung mit den Erben der ursprünglichen Besitzer.

Richard Wadani vom Personenkomitee, selbst Wehrmachtsdeserteur, ist glücklich, dass die Ausstellung kommt: "Unser Schicksal wird in der Öffentlichkeit nicht so groß wahrgenommen. Ich hoffe, dass nun zumindest die jüngeren Generationen mit dieser Thematik konfrontiert werden. Von ihren Vätern und Großvätern haben sie ja nichts dazu gehört." Den Großteil der Kosten der Ausstellung tragen National- und Zukunftsfonds, Justiz- wie Verteidigungsministerium sowie die Stadt Wien.

Der verratene Deserteur Holzer ist übrigens seit 2006 als NS-Opfer anerkannt. Geld aus der Opferfürsorge hat er, so berichtet der Politologe Peter Pirker, nicht gesehen. Über das Erlebte erzählt Holzer noch heute nicht gern.

So halten und hielten es auch andere. Als H. C. Artmann Jahre vor seinem Tod in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung auf seine Desertion aus der Wehrmacht angesprochen wurde und man ihn fragte, warum er diesen Aspekt seiner Biografie kaum erwähnt, antwortete er: "Den verschweige ich auch. Sonst lesen mich die Nazis nimmer." (pm/DER STANDARD, Printausgabe, 9. 12. 2008)