Eine verkehrte Welt sei es, wenn österreichische und deutsche Gewerkschafter dem konservativen Präsidenten Frankreichs, Nicholas Sarkozy, applaudieren und den sozialdemokratischen deutschen Finanzminister Peer Steinbrück schelten. So kürzlich Sozialminister Rudolf Hundstorfer bei einer Diskussion.

Sarkozy und der britische Labour-Premier Gordon Brown wollen ein massives europäisches Konjunkturprogramm (und setzen es für ihre Länder bereits um); Steinbrück und die Christdemokratin Angela Merkel steigen auf die Bremse. Beim EU-Gipfel diese Woche soll es zum Showdown kommen. Merkel hat sich bereits pikiert über die wunderbare neue Freundschaft zwischen Sarkozy und Brown geäußert - in der EU gäbe es nur einstimmige Beschlüsse, stellte sie eine Rute in Größe einer deutschen Eiche ins Fenster.

Die EU wird - wie immer - am Ende eines chaotischen, nervenzerfetzenden Prozesses eine halbwegs vernünftige Lösung finden. Merkel bremste zunächst auch bei der abgestimmten Bankenrettungsaktion in der EU, und doch kam dann eine beispielhafte Aktion heraus.

Aber die Frage ist nicht unberechtigt, ob eine Krise, die durch unkontrolliertes Schuldenmachen von US-Konsumenten und internationalen Finanzinstituten entstanden ist, durch weiteres Schuldenmachen (und Gelddrucken) gemeistert werden kann.

Die amerikanischen und europäischen Finanzinstitute haben im Geist des "anything goes" eine riesige Dosenpyramide aus Schulden und Spekulation erzeugt. Nachdem die untersten Dosen (faule Kredite an Häuselbauer) weggezogen wurden, war eine große Zahl von amerikanischen und europäischen Finanzinstituten so gut wie pleite. Die amerikanische und die europäische Notenbank bzw. die Staaten reagierten darauf, indem sie den Banken billiges Geld liehen oder sich auf Zeit an ihnen beteiligten. Damit war zunächst ein Banken-Super-GAU vermieden. Die Banken geben aber immer noch kaum Kredite, und damit griff die Krise auch auf die Realwirtschaft über und ließ enorme Strukturschwächen (etwa in der US-Autoindustrie) schlagend werden.

Das ist der Punkt, an dem der Markt nicht mehr wirkt - oder mit unerwünschter Wirkung, nämlich dem Zusammenbruch der Nachfrage. Hier halten wir. Das ist aber der Punkt, wo der Staat versucht , die ausbleibende Nachfrage zu stimulieren: mit Steuersenkungen, mit Aufträgen für Schlüsselindustrien, notfalls mit Subventionierung von Branchen mit strukturellen Problemen (unter Reformauflagen).

Sind wir an dem Punkt angelangt? Nach der Meldungslage ("größter Jobverlust in den USA seit 34 Jahren", "tiefste Rezession seit Jahrzehnten befürchtet") besteht kein Zweifel daran. In Österreich lassen Aussagen der Industrie und des Kanzlers Ähnliches befürchten. Unter dem Strich spricht mehr für Handeln, für eine massive staatliche Ankurbelung als für vorsichtige Zurückhaltung. Aber absolute Gewissheit gibt es da nicht. Wir werden alle von den Entscheidungen/Fehlentscheidungen in den USA und Europa betroffen sein.(Hans Rauscher, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.12.2008)